mercredi 31 décembre 2008

Harold Pinter: Verfechter eines originären Antifaschismus


Dem britischen Dramatiker und Literaturnobelpreisträger Harold Pinter (* 1930), der am 24. Dezember 2008 verstarb, wird jeder Mensch, der Unrecht und Gewaltherrschaft verabscheut, als kompromißlosem Kritiker staatsterroristischer Willkür ein ehrendes Gedächtnis bewahren. Im folgenden dokumentieren wir zwei Stellungnahmen, die Pinter als Verfechter eines originären Antifaschismus zeigen, wie er auch in der Desavouierung der politischen "Justiz" der Schlächter des kurdischen und des serbischen Volkes zum Ausdruck kommt.


Die außergewöhnliche Reaktion der Kurden in aller Welt auf die Verhaftung des kurdischen Guerillaführers Abdullah Öcalan zeigt den Verzweiflungsgrad eines Volks, das seit Jahrzehnten erniedrigt, beleidigt und als eine minderwertige Rasse behandelt wird. Die Erstürmung von Botschaften und die Selbstverbrennungen zeigen aber auch die Entschlossenheit und Leidenschaft eines Volks, das derart lange ignoriert wurde.Manche beschreiben Abdullah Öcalan, den Führer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), als einen Schlägertyp, einen Gewalttäter. Der Gewalttäter freilich ist, das glaube ich fest, der türkische Staat. Vorhersehbarerweise verweigerte er Öcalans Anwälten die Einreise. Ob die USA und Großbritannien wohl gegen diese Verletzung von Menschenrechten protestieren werden? Die abstoßende Unterdrückung des kurdischen Volks in der Türkei wird von den Medien kaum behandelt; auf der Regierungsebene meines Landes wird sie so gut wie ignoriert. Großräumig wurden Dörfer zerstört und ihre Bewohner vertrieben, Tausende wurden gefoltert oder ermordet. Erst seit kurzem wird den Kurden erlaubt, ihre eigene Sprache in der Öffentlichkeit zu benutzen. Das Kurdische im Erziehungswesen oder den Medien zu verwenden ist weiterhin untersagt. Wer eine objektive historische Analyse der kurdischen Lage publiziert oder dies versucht, wird rechtlich verfolgt und oft inhaftiert. Folter ist de facto normal, besonders in Polizeistationen. Der internationale PEN hat festgestellt, daß in keinem Land, ausgenommen China, so viele Schriftsteller und Journalisten im Gefängnis sitzen wie in der Türkei. Die Türkei ist ein totalitäres Militärregime in der Maske einer Demokratie. Der staatliche Terror ist ebenso systematisch wie grausam und mitleidlos. Alle Versuche der Kurden, die Situation politisch statt militärisch zu lösen, sind gescheitert; die Welt nahm davon keine Notiz.Die Türkei ist Mitglied der Nato, und die USA unterstützen ihre Armee bis über beide Ohren. Natürlich bietet das Land auch reiche Geschäftsmöglichkeiten. Der Name Öcalan taucht nicht nur in der britischen Presse stets mit dem Zusatz "30 000 Tote in den vergangenen 14 Jahren" auf. Impliziert wird: Öcalan hat diese Toten auf dem Gewissen. Zweifellos hat die PKK getötet, sie hat auch Grausamkeiten begangen. Doch die überwältigende Mehrzahl dieser 30 000 Toten, ebenso wie Verstümmelungen und Vergewaltigungen, geht auf das Konto der türkischen Armee. Es ist immer dasselbe. Im Iran und Irak, "antiwestlichen" Regimen, werden die Kurden als Opfer oder - falls sie Widerstand leisten - als Freiheitskämpfer dargestellt. Die Türkei aber ist Nato-Mitglied und ein "loyaler Verbündeter", und die Kurden sind dementsprechend Terroristen.Es geht dabei nicht nur um die Kurden, sondern auch um die Freiheit des Worts und des unabhängigen Denkens. Vor unseren eigenen Augen werden viele Tausende verfolgt, aber in der Presse lesen wir nur wenig, und unsere Regierung schweigt, während der Handel mit der Türkei prächtig gedeiht. Die Protestdemonstrationen haben nun wenigstens ein bißchen Anerkennung dessen gebracht, was in der Türkei in Wahrheit geschieht. Die in beträchtlicher Zahl erschienenen Demonstranten vor Botschaften in ganz Europa sind nämlich weder Terroristen noch Guerilleros. Für sie ist Öcalan kein Gewalttäter, sondern ein nach wie vor respektierter und oft sogar geliebter Führer in ihrem Kampf um die Bewahrung der eigenen Kultur und Identität. Diese Kurden sind normale, oft sehr arme Menschen, denen die Unterdrückung, Indolenz und Erniedrigung einfach zuviel wurde. Ihr Geschwür ist geplatzt. Es sind Menschen von Stolz, Mut und Würde. Ihr Los schreit nach Anerkennung und Unterstützung. Während ich dies schreibe, höre ich ihre Rufe vor der griechischen Botschaft um die Ecke. Sie rufen "Apo", Öcalans Kosenamen. Diese Menschen sind lange ignoriert worden; das wird künftig nicht mehr der Fall sein.

(Harold Pinter, "Mitleid mit den Kurden", in: WELT ONLINE, 2.3.1999)


Das US-/NATO-Gericht, vor dem Slobodan Milosevic angeklagt ist, war schon immer völlig illegal. Es konnte nie ernsthaft als Institution der Rechtsprechung bezeichnet werden. Milosevics Verteidigung ist kraftvoll, überzeugend, beweiskräftig und unmöglich zu ignorieren.

(Harold Pinter, 2005. Zit. nach Alexander Dorin, http://www.alexander-dorin.ch/zitate.)

1 commentaire:

Mark P. Haverkamp a dit…

Wofür aber hat Pinter den Nobelpreis für Literatur 2005 erhalten? Wohl allein für seine Ablehnung der Irak-Intervention.