samedi 7 novembre 2015

Freyheit und Democracy (53)


jW-Interview mit Alexander Dorin vom 30.10.2015:

jW: Kurz vor dem 20. Jahrestag des »Massakers von Srebrenica« sind Sie in Ihrem Haus in Basel von einem Rollkommando der Polizei überfallen und verhaftet worden. Wegen Ihrer Recherchen zu dem Verbrechen, bei dem im Juli 1995 bosnisch-serbisches Militär bis zu 8.000 bosnisch-muslimische Männer umgebracht haben soll, waren Sie in der Vergangenheit mehrfach bedroht worden. In Ihren Büchern »Srebrenica. Die Geschichte eines salonfähigen Rassismus« (2009) und »Srebrenica, wie es wirklich war« (2010) haben Sie auf elementare Widersprüche in den offiziellen Darstellungen hingewiesen. Im Interview mit junge Welt sagten sie einmal, »Die NATO hat in Jugoslawien Blut an den Händen«, der Militärpakt und seine Sprachrohre »verbreiten bewusst Falschinformationen über den angeblichen Massenmord«. Denn Sie gehen davon aus, dass es sich bei den gefundenen Leichen in der Region um Gefechtstote handelt und nicht um Massakeropfer. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Ihrer Verhaftung und Ihrer publizistischen Tätigkeit?

Alexander Dorin: Während der Erstürmung meines Hauses wurde mein Arbeitscomputer beschlagnahmt, der ausschließlich meiner publizistischen Tätigkeit diente. Zudem auch zwei externe Festplatten mit Abertausenden von Dokumenten über die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, die bisher größtenteils nicht veröffentlicht wurden und die mir der ehemalige französische Geheimdienstler Jugoslav »Dominique« Petrusic übergeben hatte. Ferner zeigte man mir Fotos von Petrusic und Aufzeichnungen über Telefongespräche zwischen mir und ihm und quetschte mich darüber aus. Ebenfalls beschlagnahmt wurde eine große Mappe, in der ein Bombenanschlag in der Region Tuzla im Jahr 1995 dargestellt war – bekannt als »Tuzlanska-Kapija-Inzident«, den man damals den Serben zuschrieb. Petrusic konnte mit Hilfe internationaler Ballistiker und Experten nachweisen, dass es sich in Wirklichkeit um eine an Ort und Stelle installierte Bombe gehandelt hat, nicht um einen Angriff der serbischen Artillerie. Welchen Zusammenhang könnte man demnach sehen, wenn man das alles in Betracht zieht? Viele Möglichkeiten gibt es nicht.

jW: Die Schweizer Behörden haben bei Nachfragen in Ihrem Fall absolut gemauert. Irgendwann wurde lanciert, es handle sich um ein »Drogendelikt«. Was wurde Ihnen konkret vorgeworfen?

Alexander Dorin: Mir wurde vorgeworfen, ich sei der Chef einer Bande und hätte mit Cannabis gehandelt. Ich hätte meinen Lebensunterhalt dadurch bestritten, obwohl ich nachweislich von Mietzinseinnahmen meines Hauses und einer Teilrente lebe. Zudem behauptete der Staatsanwalt Dr. Thomas Homberger, meine Liegenschaft sei aus dem Erlös des Cannabishandels finanziert worden, obwohl meine Mutter dieses Haus 1995 gekauft hatte und mir nach ihrem Tod 2005 vererbte. Seither finanziert sich die Liegenschaft durch die Mietzinseinnahmen. Doch auch das bestritt der Staatsanwalt wider besseren Wissens und behauptete, es gäbe keine Mietverträge. Zudem stellte er eine Reihe von weiteren frei erfundenen Behauptungen auf, die sich an Absurdität gegenseitig übertrafen.

jW: Um welche Drogenmengen soll es sich gehandelt haben?

Alexander Dorin: In der ersten Verfügung von Mitte Juni 2015 war noch von zirka acht Kilogramm die Rede, doch dann wurden mir in monatlichen Schritten immer absurdere Mengen vorgeworfen, bis man schließlich zur Zahl von sage und schreibe 230 Kilogramm gelangte! Die Staatsanwaltschaft versuchte wirklich alles, um mir die groteskeren Sachen anzuhängen.

jW: Warum sind Sie Anfang Oktober schließlich aus der U-Haft entlassen worden?

Alexander Dorin: Es gibt verschiedene Faktoren, die infrage kommen. Auf der einen Seite liefen die Ermittlungen für die Staatsanwaltschaft gar nicht gut, was auch nicht verwundert. So gab zum Beispiel ein sogenannter Belastungszeuge während einer Konfrontation zu, dass die ganzen Vorwürfe von einem Tessiner Staatsanwalt vorgegeben worden waren. Der gleiche Zeuge bestätigte in einem Brief an meinen Anwalt, dass er mich falsch belasten müsse, weil er sonst fürchtet, dass er noch lange in Haft sitzen müsse. Das gleiche erzählte er einigen seiner Mithäftlinge. Einer davon bestätigte das ebenfalls schriftlich. Auf der anderen Seite war die Staatsanwaltschaft natürlich gar nicht davon begeistert, dass es Protestkarten aus der ganzen Welt hagelte. Diese Aktion wurde vom Ahriman-Verlag in Vesti, einer Zeitung der serbischen Diaspora, lanciert und zeigte große Wirkung. Ferner warf ein Schweizer Rechtsanwalt, es handelt sich um Edmund Schönenberger, dem Basler Staatsanwalt Thomas Homberger in meinem Fall faschistische Methoden vor, während ein anderer Anwalt, Dr. Stefan Suter, das willkürliche Vorgehen gegen mich kritisierte usw. Ich denke, dass der Staatsanwaltschaft zum Schluss der ganze unerwartete Wirbel doch zu viel wurde.

jW: Was werden Sie in der Sache jetzt unternehmen?

Alexander Dorin: Als nächstes erörtere ich zusammen mit mehreren Anwälten das rechtliche Vorgehen gegen die Basler Staatsanwaltschaft auf nationalem und internationalem Niveau, da meine Menschenrechte während der Haft in verschiedenen Punkten massiv verletzt wurden.

jW: Was meinen Sie damit konkret, wie sahen die Haftbedingungen in der Schweiz aus?

Alexander Dorin: Ich war während der ersten zwei von insgesamt fast vier Monaten in der geschlossenen Abteilung, was bedeutet, dass man fast 23 Stunden täglich in der Zelle eingesperrt ist. Das ist sehr unüblich, denn sogar Insassen von »schwerem Kaliber« wurden relativ bald in die offene Abteilung verlegt. Während dieser Zeit wurden auch meine Briefe an meinen Freundeskreis nicht durchgelassen, obwohl das zum Grundrecht eines Gefangenen gehört. Ich lief während Wochen in den gleichen Kleidern herum, bis mir schließlich ein Häftling einige seiner Kleider anbot. Zudem wurden Besuchsanfragen fast durchgehend abgelehnt. Lediglich ein einziger Bekannter wurde nach längerer Zeit durchgelassen. Es wurde mir auch lange keine Möglichkeit gegeben, meine finanziellen Angelegenheiten draußen zu regeln, da mich ein gewisser Kommissar Roppel anlog, das sei nicht möglich. Erst nach zwei Monaten erfuhr ich, dass es dafür eigens ein Sozialbüro gibt. Ich wurde durch Schlafentzug terrorisiert, indem man psychisch kranke Häftlinge zu mir in die Zelle sperrte. Anschließend musste ich todmüde zu teils stundenlangen Verhören erscheinen, bei denen man einen enormen Druck auf mich ausübte. Während dieser Verhöre erhielt ich nicht einmal ein Glas Wasser. Der vorläufige Höhepunkt wurde erreicht, als ein Rechtsanwalt, der mich im Gefängnis besuchen wollte, nicht durchgelassen wurde. Etwa zeitgleich ordnete Staatsanwalt Thomas Homberger an, dass mein Haus beschlagnahmt wird. Die Kommissare fuhren mich während der Verhöre immer wieder an und schrien Sachen wie »Erzählen Sie keinen Scheißdreck« und »Sie werden mich noch kennenlernen« usw. Sie wollten meinen totalen Zusammenbruch provozieren, damit ich die von ihnen aufgestellten Anschuldigungen, die fast wöchentlich absurder wurden, gefälligst zugebe. Medizinischer Beistand wurde mir ebenfalls verwehrt. Im Laufe der Zeit leidet man aufgrund der Haftbedingungen an Depressionen. Als ich darauf aufmerksam machte, reagierte zunächst niemand. Später dann wollte man mich mit Medikamenten vollpumpen, was ich jedoch ablehnte. Diese Liste ließe sich noch um einiges erweitern, doch das würde den Rahmen dieses Interviews sprengen.

jW: Hand aufs Herz: Ihre Bücher sind in kleinen Verlagen erschienen, von den großen Medien werden Ihre Recherchen ignoriert, bestenfalls noch als »Verschwörungsliteratur« diffamiert. Warum sollte da der Schweizer Apparat in Gang gesetzt werden, um Sie mundtot zu machen?

Alexander Dorin: Meine Bücher sind bei zwei deutschen Verlagen erschienen und wurden in fünf Sprachen veröffentlicht. Während der Leipziger Buchmesse 2011 war meine Lesung überdurchschnittlich gut besucht, während ich auf dem Balkan durch diverse Medienauftritte einem Millionenpublikum bekannt bin. Auf der erwähnten Buchmesse versuchte übrigens die sogenannte Gesellschaft für bedrohte Völker meine Lesung mit allen Mitteln zu sabotieren. Bereits im Jahr 2000 überstand ich einen medialen Angriff des Fernsehsenders Telebasel, der mich mit der Antisemitismuskeule zu erschlagen versuchte. Der Grund: Ich kritisierte damals einen Reporter der Basler Zeitung namens Stefan Israel für seine, gelinde ausgedrückt, einseitige Berichterstattung über die Kriege im ehemaligen Jugoslawien. Als nächstes attackierte mich die Schweizer Weltwoche und veröffentlichte einen unsachlichen Hetzartikel. Es ist noch nicht allzu lange her, da versuchte mich der Schweizer Tagesanzeiger in einem ebenfalls üblen Hetzartikel zu diffamieren. Einige Monate vor meiner Verhaftung schickte mir der Sekretär des bosnischen Konsulats in Frankfurt am Main, ein Herr Kenan Kovacevic, eine ganze Reihe von übelsten Beschimpfungen, die vom Onlinemagazin Parse & Parse veröffentlicht worden waren. Vor einigen Jahren hatte Zoran Jovanovic, Koautor eines meiner Srebrenica-Bücher, einen Auftritt vor dem sogenannten Jugoslawien-Tribunal in Den Haag als Entlastungszeuge von Radovan Karadzic. Dabei regte sich einer der Ankläger darüber auf, dass Jovanovic Koautor eines meiner Bücher ist, da darin die offizielle Version der Ereignisse von Srebrenica widerlegt wird. Vielleicht ist es Ihnen bekannt, dass Zoran Jovanovic einige Zeit danach in Serbien unter nicht geklärten Umständen gestorben ist. Man sieht also, dass die Angriffe gegen mich nicht erst seit gestern laufen. Berücksichtigt man all das und die Tatsache, dass die Schweiz politisch gesehen als unabhängiger Staat nicht existiert, so ist ihre Frage eigentlich beantwortet. Ich sollte vielleicht hinzufügen, dass ich auf internationalem Niveau immerhin eine der wenigen Personen bin, die »Srebrenica« nicht nur im Ansatz, sondern gänzlich aufgedeckt und widerlegt haben, was scheinbar Grund genug ist, dass ich von verschiedener Seite attackiert werde. Wäre meine Arbeit harmlos, so würde mir all das bestimmt nicht geschehen.

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