mardi 3 novembre 2015

Freyheit und Democracy (52)

jW, 4.11.2015:

Die Kamera zeigt zerstörte Häuser, dann schwenkt sie auf vorbeifahrende Lastwagen. Auf den Ladeflächen sind Käfige zu sehen, in denen verängstigte Frauen und Männer stehen. Es sind Geiseln der »Armee des Islam« (Dschaisch Al-Islam), die in Syrien Krieg gegen die Regierung führt. Stolz verkünden junge Männer, dass die Gefangenen als »menschliche Schutzschilde« gegen Luftangriffe der syrischen und russischen Armee dienen sollen. Es handle sich um Offiziere der offiziellen Streitkräfte und deren Ehefrauen, so die Darstellung. Rund 100 solcher Käfige sollen an strategisch wichtigen Plätzen in der von den Aufständischen kontrollierten Stadt Duma aufgestellt werden. Jeweils sieben Geiseln, die wie Syriens Staatschef Baschar Al-Assad der alawitischen Glaubensrichtung des Islam angehören, würden dann in diesen ungeschützten Käfigen eingesperrt werden, kündigen die Geiselnehmer an. Wie das den Aufständischen nahestehende Nachrichtenportal Shaam News Network am Sonntag berichtete, sollen die Bilder der Gefangenen über ein Netzwerk von Webcams im Internet übertragen werden. So solle die syrische Armee davon abgehalten werden, weitere Angriffe auf die jeweiligen Orte durchzuführen. Über den Internetdienst Twitter verbreiteten Anhänger der Gruppe Fotos der Gefangenen, die sie als »Affen zur Vorspeise« titulieren.

Die »Armee des Islam« ist Teil der gegen die syrische Regierung kämpfenden »gemäßigten Opposition« und wird unter anderem von Saudi-Arabien finanziert. Sie ist über den »Syrischen Revolutionären Kommandorat« mit der »Freien Syrischen Armee« und ähnlichen Gruppierungen verbündet, mit denen sie die Feindschaft gegenüber der Al-Nusra-Front und dem »Islamischen Staat« (IS) gemeinsam hat. Von Duma aus feuert die Gruppe immer wieder Geschosse auf das nur zehn Kilometer entfernt liegende Zentrum von Damaskus ab. Die syrische Armee antwortet darauf mit Bombenangriffen. Auf beiden Seiten sterben immer wieder Zivilisten. Zuletzt wurden Medienberichten zufolge am Freitag in Duma mindestens 54 Menschen getötet, als Raketen einen Marktplatz trafen.

In New York verurteilte am Montag (Ortszeit) die Organisation Human Rights Watch (HRW) das Vorgehen der Islamisten als Kriegsverbrechen. »Menschen in Käfige zu sperren und sie in Gefahr zu bringen kann durch nichts gerechtfertigt werden«, sagte HRW-Regionaldirektor Nadim Houry. »Um die Abwärtsspirale in Syrien zu stoppen, ist es notwendig, dass die internationalen Unterstützer der bewaffneten Gruppen wie auch die Regierung dem Schutz von Zivilisten oberste Priorität einräumen.« Die so angesprochenen Sponsoren der Islamisten, unter anderem Saudi-Arabien, die USA und die EU, äußerten sich bislang nicht zu den Bildern aus Duma.

Unterdessen wächst in Großbritannien der Widerstand gegen den Kriegskurs von Premier David Cameron. Dieser will sich bis Jahresende vom Unterhaus einen Freibrief für Luftangriffe auf Syrien ausstellen lassen. Am Dienstag teilte der Auswärtige Ausschuss des Parlaments jedoch mit, solche seien nicht sinnvoll, solange es keine klare Strategie im Kampf gegen den IS gebe. Schon jetzt sei eine »alarmierende Bandbreite von internationalen Akteuren im Irak und in Syrien« zu verzeichnen, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses, Crispin Blunt, der selbst Camerons konservativer Partei angehört. Statt die Luftangriffe gegen den IS über den Irak hinaus auch auf Syrien auszudehnen, solle sich Großbritannien lieber für eine diplomatische Lösung des Konfliktes stark machen.

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