mardi 10 juin 2014

Ein Antidot gegen prodeutschen Geschichtsrevisionismus (2)

jW, 10.6.2014:

"1948 wurde Felmy im Prozeß gegen die faschistischen Südostgenerale, auch wegen der von der ihm unterstellten Einheit begangenen Verbrechen in Distomo zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Da die Westmächte im Kalten Krieg einen »Wehrbeitrag« Westdeutschlands erwarteten, schien eine Stigmatisierung »deutscher Soldaten« als Kriegsverbrecher nicht opportun. Felmy wurde wie viele andere begnadigt. Am 15. Dezember 1951 verließ er das Gefängnis.

In Westdeutschland wurde keiner der Mörder je verurteilt. Das Landgericht München I stellte 1972 Verfahren wegen Verjährung ein. Nicht nur die strafrechtliche Sühne blieb aus, den überlebenden Dorfbewohnern und den Nachfahren der Opfer wurde bis heute auch Entschädigung verweigert.

Nachdem die Bundesregierung Gespräche über dieses Thema abgelehnt hatte, gingen die Nachfahren und Überlebenden den teuren Rechtsweg. 1997 verurteilte das Landgericht Livadia die Bundesrepublik zur Zahlung von zirka 37,5 Millionen Euro. Die Berliner Regierung legte Revision ein, weil gemäß der Staatenimmunität Privatpersonen einen fremden Staat nicht vor einheimischen Gerichten verklagen könnten. Die Richter am höchsten griechischen Gerichtshof, dem Areopag, meinten aber, daß bei Menschenrechtsverletzungen die Staatenimmunität nicht greife und bestätigten das Urteil von Livadia. Eine eingeleitete Pfändung deutschen Staatseigentums in Griechenland zugunsten der Opfer verhinderte die griechische Regierung. Die Opfer klagten daraufhin in Deutschland. Die Verfahren gingen durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht – und die Forderungen wurden jeweils abgewiesen. Tenor der Entscheidungen war, daß Massaker eine »normale Kriegshandlung« gewesen und Klagen von Privatpersonen gegen Deutschland deshalb unzulässig seien. Nur durch staatliche Verhandlungen könnten die Entschädigungsforderungen geklärt werden. Reparationsverhandlungen seien dies aber nicht. Die Reparationsfrage hätte sich mit dem 2+4-Vertrag von 1990 erledigt. Die Opfer erhielten Hilfe aus Italien. Letztinstanzliche Gerichte auf der Apenninenhalbinsel entschieden, daß bei Verbrechen gegen die Menschenrechte die Staatenimmunität nicht gelte. Die Opfer konnten Rechtstitel, auch in Italien, zu Lasten deutschen Staatsvermögens vollstrecken lassen. 2008 schlug Berlin zurück und klagte vor dem Internationalen Gerichtshof (siehe jW-Thema vom 13.12.2013). Im Januar 2012 entschied das Gericht, das Prinzip der Staatenimmunität gelte. Privatklagen gegen Deutschland wegen faschistischer Verbrechen seien abzuweisen und schon ergangene Urteile aufzuheben. Die Bundesregierung solle mit den Opfern verhandeln.

Nach 70 Jahren wird es endlich Zeit, die Verantwortung für die Verbrechen regierungsamtlich anzuerkennen und tätige Reue zu zeigen. Bundespräsident Gauck hat am 7. März 2014 die Gemeinde Lyngiades in Nordwestgriechenland besucht. Dort hatten am 3.Oktober 1943 deutsche Soldaten 83 Bewohner, meist Frauen und Kinder, umgebracht. Gauck fand Worte des Bedauerns, wies aber Entschädigungsforderungen zurück. Der letzte Überlebende des Massakers in Lyngiades sagte: »Das waren nur Worte, die bedeuten nichts. Ich will Gerechtigkeit, das heißt Wiedergutmachung.«"

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