mercredi 19 mars 2008
SPD-"Aufstand der Anständigen" gegen die türkische Republik?
Wer sich das völkerbelehrende Auftreten des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier gegenüber einer - in einer internen türkischen Angelegenheit! - “unbotmäßig” handelnden türkischen Generalstaatsanwaltschaft zu Gemüte führt, könnte fast den Eindruck gewinnen, die Türkei sei bereits in die EU “eingemeindet” worden - so daß türkische Gegner einer Islamisierung ihres Landes im Konfliktfall mit “Strafmaßnahmen” nach dem Muster der Stigmatisierung der österreichischen Republik 1999/2000 rechnen müßten …
Bei dem vom türkischen Generalstaatsanwalt Abdurrahman Yalcinkaya gestellten Verbotsantrag gegen die Regierungspartei AKP handele es sich um eine Mißachtung des Willens des türkischen Volkes, da die AKP aus einem freien demokratischen Wahlverfahren als stärkste parlamentarische Kraft hervorgegangen sei. Die islamistische AKP hält der deutsche Sozialdemokrat Steinmeier für eine eindeutig demokratische Partei. (Daß der AKP-Parlamentarier Bülent Arinc durch eine unverhüllte Morddrohung gegen den Generalstaatsanwalt - “Der Tod ist die größte Wahrheit. Das muss auch der Staatsanwalt wissen.” - hervortrat, irritiert Angela Merkels Außenminister hierbei offenbar nicht im geringsten.)
Ein weiterer SPD-Matador scheint ebenfalls von dem Gedanken beseelt zu sein, die volonté générale des “türkischen Volkes”, genauer: des antirepublikanischen und antilaizistischen Teils der türkischen Staatsbürgergemeinschaft, gegenüber kemalistischen Aktivitäten zu artikulieren: Altkanzler Gerhard Schröder, der die EU auffordert, den AKP-Ministerpräsidenten in stärkerem Maße zu unterstützen, als sie es ohnehin seit Jahren tut. Daß es ausgerechnet Schröder, als einem Propagandisten der “Sanktionen” gegen eine Mitte-Rechts-Regierung in Österreich sowie eines innenpolitischen “Aufstandes der Anständigen”, mithin einer Mißachtung verfassungsstaatlicher Normen im “Kampf gegen Rechts”, in irgendeiner Weise um Menschenrechte und Volkssouveränität in der Türkei bestellt sein könnte, kann weitgehend ausgeschlossen werden. Vielmehr setzt Schröder seinen “Aufstand der Anständigen” heute, als “Weltstaatsmann”, in Gestalt von Attacken gegen die republikanischen Institutionen der türkischen Republik fort.
Der liberale Muslim Prof. Bassam Tibi kritisiert in seinem Werk Mit dem Kopftuch nach Europa? Die Türkei auf dem Weg in die Europäische Union (2005) den Verdrängungsdiskurs, den die rot-grüne Regierung Schröder-Fischer einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Umstand vorzog, daß die Republik am Bosporus seit November 2002 von “institutionellen Islamisten” regiert wird (welche mittlerweile auch das Staatsoberhaupt stellen). Die derzeitige türkische Regierungspartei AKP sollte - so Tibi - nicht als “islamisch-konservativ” verharmlost werden. Anders als in Deutschland werde in Frankreich erkannt, daß auch die türkischen Islamisten das Tragen des Kopftuches als „Grundrecht” propagierten, um die „revolutionäre Errungenschaft der Laicité als Trennung von Religion und Politik” herauszufordern. Die AKP-Kampagne für eine Akzeptanz des Kopftuches in öffentlichen Einrichtungen richtet sich zuvörderst auf eine Erschütterung der säkularen Verfassungsordnung der Türkei selbst, als deren Garant bislang der Nationale Sicherheitsrat galt. Ohne einen – visionären – türkischen „Euro-Islam“ wäre die Türkei als EU-Mitglied ein „Fremdkörper in Europa“, warnt Tibi. Aufgrund ihres demographischen Wachstums würde sie der „Wertegemeinschaft“ Europa ein Ende bereiten.
Im Zentrum dieser Wertegemeinschaft sieht Tibi die individuelle bürgerliche Rechtsgleichheit und gleiche Freiheit der Partizipation im politischen Raum (Citoyenneté) und grenzt das von ihm verteidigte neuzeitliche, säkulare Europa strikt von der Idee einer „christlichen“ Völkergemeinschaft ab.
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