Am 18. April 2007 fielen in Malatya (Türkei) drei Christen - unter ihnen ein Deutscher - einem Überfall zum Opfer, der einem christlichen Bibel-Verlag galt. Das islamistische Bekenntnis der (beinahe noch jugendlichen) Täter („Den Feinden des Glaubens möge dies eine Lehre sein”) mußte die Aufmerksamkeit wenigstens eines Teils auch der deutschen Öffentlichkeit auf die Frage lenken, inwieweit eine in die EU strebende islamisch geprägte Gesellschaft, wie die türkische, willens und in der Lage sei, religiöse Intoleranz zu ächten und kulturellen Pluralismus institutionell zu gewährleisten.
In diesem Sinne verurteilte die CDU-Bundestagsfraktion die Morde von Malatya als einen „Gewaltakt gegen die Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit”, also gegen elementare Grundrechte, die in Europa selbstverständlich respektiert seien. Darüber hinausgehend, prangerte CDU-MdB Wolfgang Börnsen einen antidemokratischen, „nationalistisch-islamistischen” Konsens in der Türkei an, als dessen extremistischen Auswuchs er die jüngsten Gewaltverbrechen gegen Christen einordnete:
„Die Türkei hat sich abermals der in Europa geltenden Werte und Standards als nicht würdig erwiesen. Die Untat darf nicht allein als das Werk von nationalistisch-islamistisch fanatisierten jungen Männern gesehen werden, die fast noch Kinder sind. Staatliche Stellen, darunter die türkische Religionsbehörde und der Staatsminister für Religionsfragen, haben sich in der Vergangenheit an der Hetze gegen Andersgläubige beteiligt. Auch die ‚ganz normale’ alltägliche Schikanierung von Christen in der Osttürkei ist bislang von offizieller Seite nicht unterbunden worden.”
Im Rahmen des jüngst eröffneten Gerichtsverfahrens gegen die Christenmörder von Malatya wurde - insbesondere im Hinblick auf die Kontakte der Täter zu den Institutionen des “tiefen Staates” der “laizistischen” türkischen Republik - die Einschätzung Börnsens hinsichtlich der allgemeinen Aushöhlung des Menschenrechtes auf Religionsfreiheit bestätigt. So sollte die Antinomie zwischen türkischen Säkularisten (repräsentiert durch den „Nationalen Sicherheitsrat”) und Islamisten (repräsentiert durch die Regierung Erdogan und Staatspräsident Gül) nicht darüber hinwegtäuschen, daß gerade unter dem Vorzeichen eines spezifisch türkischen “Laizismus” die etwa 100.000 in der Türkei lebenden Christen scharfen Beeinträchtigungen ihrer freien Religionsausübung ausgesetzt werden. (Auf der anderen Seite wird in der Türkei ein - durch die Religionsbehörde Diyanet Isleri Baskanligi kontrollierter - türkischer „Staatsislam” unter Verwendung öffentlicher Gelder am Leben gehalten, und zwar nicht nur in türkischem Staatsgebiet, sondern auch inmitten der EU - durch die Finanzierung selbst „fundamentalistischer” Imame etwa in Deutschland, die Beamte des türkischen Staates sind.)
Der Abgeordnete Börnsen sah durch das Verbrechen von Malatya - in Verbindung mit vorausgegangenen Gewaltexzessen, etwa der Ermordung des türkisch-armenischen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten Hrant Dink - das „kulturelle Selbstverständnis Europas und des christlichen Abendlandes … herausgefordert”.
Insoweit das politische Europa an dem universalistischen Geltungsanspruch wesentlicher Bestandteile seines kulturellen Selbstverständnisses festhält, ist es tatsächlich angehalten, auch die Verfolgung von Christen (sowie die willkürliche Einschränkung von deren freier Religionsausübung) etwa in islamisch dominierten Ländern in den Blick zu nehmen. Dies gilt in besonderem Maße für Staatswesen, von denen angenommen werden könnte, daß sie, als “Verbündete” von EU und NATO, einer kulturellen Öffnung zu “Europa” hin aufgeschlossen seien.
Als inakzeptabel muß in diesem Zusammenhang auch die Hätschelung des albanisch-muslimischen Kommunitarismus in der serbischen Provinz Kosovo-Metohija durch die EU gewertet werden - während dieselbe EU gleichzeitig den Institutionen der Republik der (christlichen) Armenier von Berg-Karabach ihre Legitimität abspricht, weil dieses politische Gemeinwesen im Zuge des Zusammenbruchs des sowjetischen Imperiums in dem Territorium der ehemaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan gegründet wurde. Während im Falle des islamisierten Kosovo das Bestehen Serbiens auf seine territoriale Integrität als Legalismus verhöhnt wird, greift “Europa” zugunsten des muslimischen Aserbaidschan - und zuungunsten der um ihr Überleben kämpfenden armenischen Christen - auf eben jenen “legalistischen” Rechtsstandpunkt zurück. Wo bleibt hier das kulturelle Selbstverständnis eines säkularen Europa, das gleichwohl an seinen judäo-christlichen Traditionen festzuhalten gewillt ist?
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