NZZ News, 5.2.2017:
Darf der das?
Natürlich darf der «Spiegel» auf sein Cover eine Karikatur stellen, die
Donald Trump als Mörder von Freiheit und Demokratie zeigt. Das ist gar
nicht der Punkt. Polemik und Satire dürfen jederzeit ihr Niveau
unterbieten, solange sie nicht gesetzlich garantierte
Persönlichkeitsrechte verletzen. Und natürlich ist es geschmacklos,
welche Zuspitzung der aus Kuba stammende Künstler Edel Rodriguez seiner
Zeichnung gibt: Da steht der US-Präsident mit triumphierend erhobenen
Armen, in der rechten Hand das abgeschnittene Haupt der Freiheitsstatue,
aus deren Hals noch das Blut tropft, in der linken das blutverschmierte
Messer, und das Motto stiftet die Devise «America first».
Trump
als politischer Gewalttäter, der agiert wie ein Schlächter des
«Islamischen Staates» – dieser Vergleich der amerikanischen
Regierungspolitik mit Terrorismus ist sofort überall erkannt worden und
hat der neuen Ausgabe des «Spiegels» grenzüberschreitende Aufmerksamkeit
beschert. Kommentatoren in den USA, die einiges gewohnt sind, rissen
die Augen auf ob des Tiefschlags aus Hamburg. Auf Twitter jagten sich
Ablehnung und Zuspruch. Das Echo im Netz ist enorm und überwiegend negativ, auch in deutschen Medien.
Sage
keiner, die Deutung des Titelblatts sei überzogen. Der Künstler, der
1980 als Neunjähriger in die USA kam, ist mit seinem IS-Vergleich genau
so verstanden worden, wie er es wollte. Trumps Einreisestopp für
muslimische Migranten und Flüchtlinge sei «eine Enthauptung der
Demokratie, eine Enthauptung eines heiligen Symbols», teilte Rodriguez
der «Washington Post» auf Nachfrage mit. Die Freiheitsstatue stehe für
die amerikanische «history of welcoming immigrants». Die Assoziationen,
die sich zwischen Trump und den Kopfabschneidern des IS einstellten,
seien letztlich selbstverständlich. «Both sides are extremists, so I'm
just making a comparison between them.»
Der
«Spiegel» hat mit Rodriguez' Karikatur nicht einfach einen Artikel
illustriert. Er hat das Bild aufs Titelblatt gehoben und sich damit die
politische Aussage des Künstlers zu eigen gemacht. Die Karikatur wird zu
einem prominenten journalistischen Statement. Die Frage ist nicht, was
der Satire erlaubt sei. Sie lautet, wie eingangs bemerkt, auch nicht, ob
eine Zeitschrift einen so üblen Vergleich drucken dürfe.
Es geht nicht ums Dürfen. Es geht um die publizistische Kultur und darum, ob der «Spiegel» gut beraten ist, mit plumpen Botschaften zur Vergiftung des politischen Denkens beizutragen. Intellektuell ist das Cover unter aller Kanone. Sein Wahrheitsgehalt ähnelt dem der Fake-News, für deren Verbreitung Trumps Chef-Stratege Stephen Bannon bekannt ist. Man könnte sagen, hier werde der Trump-Fraktion in gleicher Münze heimgezahlt. Der Verlust an Stil und Klugheit dabei ist freilich beträchtlich. Cover wie die des «Spiegels» bewirtschaften eine Bereitschaft, den Gegner niederzumachen, von der wir zurzeit übergenug haben.
Man
soll die Hysterie nicht vermehren. Man soll, andererseits, auch kein
Appeasement gegenüber Präsidenten betreiben, die mit republikanischer
Freiheit vor allem die eigene Ellbogenfreiheit meinen und diktatorische
Ambitionen erkennen lassen. «In jedem Leben kommen die Momente, in denen
es gilt. Dann zeigt sich der Charakter», schreibt der Chefredaktor des
«Spiegels» in seinem Leitartikel. Gemeint ist, die deutsche Regierung
solle Charakter im Widerstand gegen den «Nero Trump» beweisen. Nach dem
Vorbild des «Spiegels»? Sicher nicht nach dem seines Covers. Der
Charakter, der sich dort zeigt, ist überaus zweifelhaft.
Aucun commentaire:
Enregistrer un commentaire