Terroristische
Gewalt lohnt sich wieder
Israels
Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Shimon Stein, stellte
hinsichtlich israelischer und arabischer Reaktionen auf den
Empfehlungskatalog, den die USA den beiden Konfliktparteien
durch den Mitchell-Report unterbreitet hatten, fest:
„In
der Woche nach der Veröffentlichung des Berichts und nachdem Israel
die einseitige Waffenruhe erklärt hatte, folgten über
einhundertdreißig Aktionen palästinensischen Terrors gegen
Israelis.
Wie
kann man dieses Paradoxon erklären? Die Antwort ist einfach: Das
Ziel der Palästinenser ist es, eine internationale
militärische Intervention - wie etwa auf dem Balkan - zu erzwingen.“
Der
Repräsentant des jüdischen Staates läßt keinen Zweifel daran, daß
Israel sich nicht bereit zeigen würde, sein Schicksal in die Hände
einer ihm indolent bis feindlich gegenüberstehenden
„internationalen Völkergemeinschaft“ zu
legen:
„Israel
lehnt solch ein Szenarium ab, in der Überzeugung,
daß alle Probleme durch die Konfliktparteien selbst gelöst
werden können und müssen. Das ist die einzige Garantie dafür, daß
diese Lösung dauerhaft und stabil sein wird.“(1)
Im
April 2001 hatte Stein kategorisch erklärt,
Palästinenser-Präsident Arafat könne erst dann als
Gesprächspartner anerkannt werden, wenn er „eindeutig
und in arabischer Sprache dem Terror und der Gewalt eine Absage“
erteilt haben würde. „Es ist ein Fehler, mit Terroristen zu
sprechen“, so zitiert er den EU-„Außenminister“ Javier Solana,
der der makedonischen Regierung von Konzessionen
gegenüber ultranationalistischen albanischen
Freischärlern abgeraten hatte. Als Diplomat beruft sich Stein
auf die Worte Solanas
als des Sprechers der westeuropäischen NATO-Verbündeten der
Vereinigten Staaten; als Realpolitiker weiß er jedoch, warum er
auf die aktive Einmischung des interventionsfreudigen
Nordatlantik-Bündnisses lieber verzichtet.
Eine
dauerhafte und stabile Lösung, wie sie sich Stein im Nahen Osten
erhofft, scheint auf der Balkanhalbinsel dank den
Interventionen der NATO-Führungsmacht USA gegenüber
Jugoslawien und Makedonien - die wie Israel von expansiven,
vor terroristischen Methoden nicht zurückschreckenden
ethnoextremistischen oder islamistischen Verbänden in
ihrer territorialen Integrität bedroht sind - in weite Ferne
gerückt. Daß die NATO, die im April 1999 offiziell von einer
Verteidigungs- in
eine Interventions-Allianz
- die „Neue NATO“ - umgewandelt wurde, nicht nur in Tel Aviv,
sondern auch in der makedonischen Hauptstadt Skopje im
allgemeinen nicht als verläßliche Verbündete gegen den
(arabischen resp. großalbanischen) Terrorismus gilt, hat
seine Ursache darin, daß das westliche Bündnis mit guten Gründen
für die prekäre Situation verantwortlich gemacht wird, in
der es sich nun von der makedonischen Regierung als Retter ins
Land bitten ließ.
Die
Belehrung Makedoniens durch Javier Solana, terroristischen
Erpressungsversuchen dürfe nicht nachgegeben werden, mußte den
Makedonen als purer Hohn erscheinen. War es doch die NATO unter
ihrem damaligen Generalsekretär Solana gewesen, die im März 1999
den Nachbarstaat Makedoniens, die Bundesrepublik Jugoslawien,
militärisch angriff, weil der jugoslawische Präsident Slobodan
Milosevic (...) sich (...) geweigert hatte, das (nur von den
Kosovo-Albanern akzeptierte) „Abkommen von Rambouillet“
zu unterzeichnen. In diesem „Abkommen“ sollte
Jugoslawien nicht nur verpflichtet werden, eine Amnestie für
sezessionistische Straftaten auszusprechen und dem Kosovo eine
„substantielle Autonomie“ (aus der
zwangsläufig eine albanische Dominanz gefolgt
wäre) zuzugestehen, sondern auch, die Freizügigkeit
militärischer NATO-Einheiten im gesamten Staatsgebiet
der jugoslawischen Bundesrepublik zu gewährleisten.
Die eigenmächtige Gewaltanwendung der NATO wurde mit der
Notwendigkeit begründet, einen angeblich drohenden
Völkermord an Albanern zu verhüten und die Rückkehr der
albanischen Bürgerkriegsflüchtlinge zu garantieren.
Tatsächlich aber leistete insbesondere die US-Regierung Clinton
durch eine massive militärische Aufrüstung der faschistoiden
albanischen Terrororganisation UCK als einer Landarmee
gegen die legale serbische/jugoslawische Hoheitsmacht den
bestialischen Verbrechen Vorschub, wie sie die UCK-Milizen nach
dem Abzug der serbischen Verbände an Slawen und Roma begingen.
Der VN-Sicherheitsrat, der durch den militärischen Alleingang
der NATO gegen Jugoslawien kaltgestellt worden war, wich
einerseits
vor dem aggressiven
Hegemonialanspruch der „westlichen“ Mächte auf dem
Balkan insoweit zurück, als er dem angegriffenen
Staatswesen seine
Hoheitsrechte über das Kosovo entzog und die serbische Verwaltung
durch ein Protektorat der Vereinten Nationen substituierte.
Andererseits wurden
die durch die VN eingesetzten Hoheitsträger verpflichtet, die
UCK-Verbände zu entwaffnen, um den Schutz aller Einwohner
der serbischen Provinz garantieren zu können. Doch die unter der
Ägide der führenden NATO-Mächte stehende Kfor-Verwaltung des
Kosovo weigerte sich, dieser Verpflichtung nachzukommen.
Die UCK vermochte in der gesamten Provinz einen Archipel von
Folterlagern einzurichten, der großalbanische Mob
mordete auf offener Straße wehrlose Roma-Kinder, während der
SPD-Politiker Koschnick offen erklärte, die Entwaffnung der
UCK-Milizen sei schlicht unmöglich, und Bundesaußenminister
Fischer die unter Kfor-Hoheit verübten genozidalen Verbrechen
durch den Vergleich mit deutsch-französischen Animositäten in
der Nachkriegsära bagatellisierte.
Dieser
Zynismus „westlicher“ Politiker (...) läßt die Brandmarkung des
„Schlächters“ Milosevic in einem anderen Licht erscheinen: Was
sie dem jugoslawischen Präsidenten zum Vorwurf machten: daß
unter der Hoheit seiner Regierung Verbrechen an unschuldigen
Zivilisten begangen worden seien, fällt nun auf die Regierungen der
an der Kfor-Verwaltung beteiligten Staaten zurück, die durch
Nichtentwaffnung der UCK Wehrlose dem völkischen
Vernichtungswahn aussetzten.
Ermuntert
durch die Passivität der Kfor-Verwaltung gegenüber dem
großalbanischen Nationalismus im Kosovo, formierten sich
radikalnationalistische Albaner im Frühjahr 2001 auch im Nordwesten
Makedoniens, wo sie - nach dem Vorbild der UCK-Terroristen auf
serbischem Territorium - „befreite“ Zonen einrichteten und
Angehörige der slawischen Mehrheitsbevölkerung Makedoniens
gewaltsam vertrieben. Obgleich die albanisch-makedonische
Terroristenformation der UCK vom Kosovo sowie von Albanien
aus aufgerüstet wurde, befand der deutsche
Verteidigungsminister Scharping, die Bekämpfung des
großalbanischen Terrorismus sei eine „innere Angelegenheit“
Makedoniens. Nach dieser Auffassung ist Makedonien, tatsächlich
Opfer einer bewaffneten albanischen Irredenta, für deren
Erfolge die NATO-Staaten als zeitweilige „Luftwaffe der UCK“
(Egon Bahr) eine Mitverantwortung tragen, aus selbstverschuldeter
Schwäche destabilisiert, und so verwundert es nicht, daß der
existenziell bedrohten Republik Makedonien von NATO und EU
in zynischer Weise militärische (und wirtschaftliche) Hilfe nur
unter der Bedingung, daß durch einen Friedensvertrag mit der
albanischen Minorität den Terroristen unter den Albanern der
Wind aus den Segeln genommen werde, zugesagt wurde. Die in Ohrid
vereinbarte Verfassungsreform zugunsten der albanischen
Minorität ist das bisher letzte Zeugnis einer massiven Einmischung
des „Westens“ in die Innenpolitik nominal souveräner
Balkanrepubliken.
(...)
Doch anstatt sich den kritischen Einwänden einer
(parteiübergreifenden) oppositionellen
Minderheit zu stellen, drohte SPD-Generalsekretär Müntefering
den SPD-Abgeordneten, die gegen die Entsendung deutscher
Truppen nach Makedonien stimmten, als „Abweichlern“ offen
Sanktionen in Form eines Mandatsverlusts an und offenbart somit ein
Demokratieverständnis, das zum mindesten insoweit dem
eines Napoléon III. Bonaparte entspricht, als es Willensäußerungen
des Demos (oder von dessen Repräsentanten) lediglich als
Bekräftigung
des Willens der Regierung
begreift, nicht aber - gemäß den Prinzipien einer parlamentarischen
Demokratie - als Auftrag
an die Regierung.
Allerdings werden auch solche Manöver eine demokratische
Gesellschaft nicht dauerhaft davon abhalten, nicht nur den
Makedonien-Einsatz kritisch zu reflektieren, sondern
die gesamte Balkan-Politik einer Bundesregierung, die - nach der
Auffassung des früheren Vizepräsidenten der
Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Willy
Wimmer (CDU) - Bundestag und Öffentlichkeit systematisch
irreführte, um sich eine breite Zustimmung zu der von ihr
verantworteten Beteiligung Deutschlands an einem Angriff auf
einen souveränen Staat zu sichern. Der Bundestagsabgeordnete
Wimmer ist vom prinzipiellen Aufklärungswillen einer
kritischen Öffentlichkeit überzeugt:
Anders
als im Untersuchungsausschuß Leuna/„Fuchs“ wird der
Gegenstand eines solchen Ausschusses der Tod unschuldiger
Menschen sein, die einer „humanitären Friedensoperation“
zum Opfer fielen.
Daniel L. Schikora, März 2002
(1) Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, 21.6.2001.
(2) Zit. nach: „Die Amerikaner empfinden sich als Nachfolger Roms“.
Strategische Konfliktmuster auf dem Balkan. „Blätter“-Gespräch
mit Willy Wimmer, in: Blätter für deutsche und internationale
Politik, H 9 (2001), 1054-65.
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