vendredi 25 mars 2016

Aus aktuellem Anlass


  

Terroristische Gewalt lohnt sich wieder


Israels Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland, Shimon Stein, stellte hinsichtlich israeli­scher und arabi­scher Reaktionen auf den Empfehlungs­katalog, den die USA den beiden Konfliktparteien durch den Mitchell-Report unterbreitet hatten, fest:

In der Woche nach der Veröffentlichung des Berichts und nachdem Israel die einseitige Waffenruhe erklärt hatte, folg­ten über einhundertdreißig Aktionen palästinensischen Terrors gegen Israelis.

Wie kann man dieses Paradoxon erklären? Die Antwort ist einfach: Das Ziel der Palästinenser ist es, eine inter­natio­nale militärische Intervention - wie etwa auf dem Balkan - zu erzwingen.“

Der Repräsentant des jüdischen Staates läßt keinen Zweifel daran, daß Israel sich nicht bereit zeigen würde, sein Schicksal in die Hände einer ihm indolent bis feind­lich gegenüberstehenden „internationalen Völ­ker­­ge­meinschaft“ zu legen:

Israel lehnt solch ein Sze­nari­um ab, in der Über­zeu­gung, daß alle Probleme durch die Konflikt­parteien selbst gelöst werden können und müssen. Das ist die einzige Garantie dafür, daß diese Lösung dauerhaft und stabil sein wird.“(1)

Im April 2001 hatte Stein katego­­risch er­klärt, Palä­stinenser-Präsident Arafat könne erst dann als Gesprächs­partner anerkannt werden, wenn er „ein­deutig und in arabi­scher Sprache dem Terror und der Gewalt eine Absage“ erteilt haben würde. „Es ist ein Fehler, mit Terro­risten zu sprechen“, so zitiert er den EU-„Außenminister“ Javier Solana, der der makedoni­schen Regierung von Kon­zessio­nen gegen­über ultra­nationalistischen albanischen Freischär­lern abgeraten hatte. Als Diplomat beruft sich Stein auf die Worte Solanas als des Sprechers der west­europäischen NATO-Verbündeten der Vereinigten Staaten; als Real­politiker weiß er jedoch, warum er auf die aktive Ein­mischung des interventionsfreudigen Nord­atlantik-Bünd­nis­ses lieber verzichtet.

Eine dauerhafte und stabile Lösung, wie sie sich Stein im Nahen Osten erhofft, scheint auf der Balkan­halb­insel dank den Interventionen der NATO-Füh­rungs­macht USA gegenüber Jugosla­wien und Make­donien - die wie Israel von expansiven, vor terro­ri­stischen Metho­den nicht zurück­schreckenden ethno­extremi­stischen oder islamistischen Verbänden in ihrer territorialen Integrität bedroht sind - in weite Ferne gerückt. Daß die NATO, die im April 1999 offiziell von einer Vertei­digungs- in eine Interven­tions-Allianz - die „Neue NATO“ - umgewandelt wurde, nicht nur in Tel Aviv, sondern auch in der makedo­nischen Hauptstadt Skopje im allgemeinen nicht als ver­läßli­che Verbündete gegen den (arabischen resp. groß­albanischen) Terroris­mus gilt, hat seine Ursache darin, daß das westliche Bündnis mit guten Gründen für die prekäre Situation ver­antwortlich ge­macht wird, in der es sich nun von der make­donischen Regierung als Retter ins Land bitten ließ.

Die Belehrung Makedoniens durch Javier Solana, terroristischen Erpressungsversuchen dürfe nicht nachge­geben werden, mußte den Makedonen als purer Hohn er­scheinen. War es doch die NATO unter ihrem damaligen Generalsekretär Solana gewesen, die im März 1999 den Nachbarstaat Makedoniens, die Bundes­republik Jugo­sla­wien, militärisch angriff, weil der jugoslawische Präsi­dent Slobodan Milosevic (...) sich (...) geweigert hatte, das (nur von den Kosovo-Alba­nern akzeptierte) „Abkommen von Ram­bouillet“ zu unter­­zeich­nen. In diesem „Abkommen“ sollte Jugo­slawien nicht nur verpflichtet werden, eine Amnestie für sezessioni­stische Straftaten auszusprechen und dem Kosovo eine „sub­­stan­tiel­le Autonomie“ (aus der zwangs­läufig eine albani­­sche Do­minanz gefolgt wäre) zuzugeste­hen, sondern auch, die Frei­zügigkeit militäri­scher NATO-Einheiten im gesam­ten Staats­gebiet der jugoslawischen Bundesrepublik zu ge­währ­­­lei­sten. Die eigen­mächtige Gewaltanwendung der NATO wurde mit der Notwendig­keit begründet, einen angeblich drohen­den Völkermord an Albanern zu verhüten und die Rück­kehr der albanischen Bürgerkriegsflücht­linge zu garantieren. Tatsächlich aber leistete insbesondere die US-Regierung Clinton durch eine massive militärische Aufrüstung der faschistoiden albani­schen Terrororga­nisa­tion UCK als einer Landarmee gegen die legale serbi­sche/jugoslawische Hoheitsmacht den bestialischen Ver­brechen Vorschub, wie sie die UCK-Milizen nach dem Abzug der serbischen Verbände an Sla­wen und Roma begingen. Der VN-Sicherheitsrat, der durch den militäri­schen Alleingang der NATO gegen Jugo­slawien kaltge­stellt worden war, wich einerseits vor dem aggressiven Hegemonial­anspruch der „westlichen“ Mäch­te auf dem Balkan insoweit zurück, als er dem angegriffenen Staats­wesen seine Hoheitsrechte über das Kosovo entzog und die serbische Verwaltung durch ein Protektorat der Vereinten Nationen substituierte. Andererseits wurden die durch die VN einge­setzten Hoheitsträger verpflichtet, die UCK-Ver­bände zu ent­waffnen, um den Schutz aller Ein­wohner der serbischen Provinz garantieren zu können. Doch die unter der Ägide der führenden NATO-Mächte stehende Kfor-Verwaltung des Kosovo weigerte sich, dieser Ver­pflichtung nach­zukommen. Die UCK vermochte in der gesamten Provinz einen Archipel von Folterlagern ein­zu­­richten, der großalbanische Mob mordete auf offener Straße wehrlose Roma-Kinder, während der SPD-Politiker Koschnick offen erklärte, die Entwaffnung der UCK-Milizen sei schlicht unmöglich, und Bundes­außen­minister Fischer die unter Kfor-Hoheit verübten genozidalen Verbre­chen durch den Vergleich mit deutsch-französischen Ani­mositäten in der Nachkriegs­ära bagatellisierte.

Dieser Zynismus „westlicher“ Politiker (...) läßt die Brandmarkung des „Schlächters“ Milosevic in einem anderen Licht erscheinen: Was sie dem jugo­slawischen Präsidenten zum Vorwurf machten: daß unter der Hoheit seiner Regierung Verbrechen an unschul­digen Zivilisten begangen worden seien, fällt nun auf die Regierungen der an der Kfor-Verwaltung beteiligten Staa­ten zurück, die durch Nichtentwaffnung der UCK Wehrlose dem völki­schen Vernichtungswahn aussetzten.

Ermuntert durch die Passivität der Kfor-Verwaltung gegenüber dem großalbanischen Nationalis­mus im Kosovo, formierten sich radikalnationalistische Albaner im Frühjahr 2001 auch im Nord­westen Makedoniens, wo sie - nach dem Vorbild der UCK-Terroristen auf serbischem Territorium - „befreite“ Zonen einrichteten und Angehörige der slawi­schen Mehrheitsbevölkerung Make­doniens gewaltsam ver­trieben. Obgleich die albanisch-makedonische Terrori­sten­formation der UCK vom Kosovo sowie von Albanien aus aufgerüstet wurde, befand der deut­sche Verteidigungs­minister Scharping, die Bekämpfung des großalbanischen Terrorismus sei eine „innere Angelegenheit“ Makedoniens. Nach dieser Auffassung ist Makedonien, tatsächlich Opfer einer be­waffneten albanischen Irredenta, für deren Erfolge die NATO-Staaten als zeitweilige „Luftwaffe der UCK“ (Egon Bahr) eine Mitverantwortung tragen, aus selbst­verschuldeter Schwäche destabilisiert, und so verwundert es nicht, daß der existenziell bedrohten Re­publik Make­donien von NATO und EU in zynischer Weise militärische (und wirtschaftli­che) Hilfe nur unter der Bedingung, daß durch einen Frie­densvertrag mit der albanischen Minorität den Terro­risten unter den Albanern der Wind aus den Segeln genommen werde, zugesagt wurde. Die in Ohrid vereinbar­te Verfassungsreform zugunsten der albani­schen Minorität ist das bisher letzte Zeugnis einer massiven Einmischung des „Westens“ in die Innen­politik nominal souveräner Balkanrepubliken.

(...) Doch an­statt sich den kritischen Einwänden einer (partei­über­grei­fen­den) oppositionellen Minderheit zu stellen, droh­te SPD-Generalsekretär Münte­fering den SPD-Abge­ord­neten, die gegen die Entsendung deutscher Truppen nach Makedonien stimmten, als „Abweichlern“ offen Sanktionen in Form eines Mandatsverlusts an und offenbart somit ein Demokra­tie­verständnis, das zum mindesten inso­weit dem eines Napoléon III. Bonaparte entspricht, als es Willensäußerun­gen des Demos (oder von dessen Re­präsentanten) lediglich als Bekräftigung des Willens der Regierung begreift, nicht aber - gemäß den Prinzipien einer parlamentarischen De­mo­kratie - als Auftrag an die Regie­rung. Allerdings werden auch solche Manöver eine demo­kratische Gesell­schaft nicht dauerhaft davon abhalten, nicht nur den Make­donien-Ein­satz kritisch zu reflek­tieren, sondern die gesamte Balkan-Politik einer Bundesregierung, die - nach der Auffas­sung des früheren Vizepräsidenten der Parlamen­ta­ri­schen Ver­sammlung der OSZE, Willy Wimmer (CDU) - Bundestag und Öffentlichkeit systema­tisch irreführte, um sich eine breite Zustimmung zu der von ihr verantworteten Beteili­gung Deutschlands an einem Angriff auf einen souveränen Staat zu si­chern. Der Bun­destagsabgeordnete Wimmer ist vom prinzipiellen Auf­klärungswillen einer kriti­schen Öf­fentlichkeit überzeugt:

Der nächste Aus­schuß, den es im Deutschen Bundestag geben wird, heißt Kosovo.“(2)

Anders als im Untersuchungs­ausschuß Leuna/„Fuchs“ wird der Gegenstand eines sol­chen Ausschusses der Tod unschuldiger Menschen sein, die einer „humanitä­ren Friedens­operation“ zum Opfer fielen.

Daniel L. Schikora, März 2002


(1) Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, 21.6.2001.
(2) Zit. nach: „Die Amerikaner empfinden sich als Nachfolger Roms“. Strategi­sche Konfliktmuster auf dem Balkan. „Blätter“-Gespräch mit Willy Wimmer, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, H 9 (2001), 1054-65.

Aucun commentaire: