mardi 12 mai 2015

Ein Antidot gegen prodeutschen Geschichtsrevisionismus (23)

jW, 13.5.2015:

Ernst-Wolfgang Böckenförde (geb. 1930), Katholik, SPD-Mitglied, Professor an mehreren Universitäten, war von 1983 bis 1996 Richter am Bundesverfassungsgericht. Er verfasste viele Schriften zur Rechtsphilosophie und erhielt u. a. 2012 den Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt. Unter der Schlagzeile »Rechtsstaat oder Unrechtsstaat?« fragte er am Dienstag in der FAZ, ob der »Anschein der Prägnanz« bei der Kennzeichnung der DDR als Unrechtsstaat stimme und ob es »den Unrechtsstaat DDR als klares Gegenstück zum Rechtsstaat« gebe.

Der Ausgangs- und Kernpunkt des letzteren bleibe, »dass sich alles staatliche Handeln in der Weise des Rechts vollzieht.« Er sei kein »Gerechtigkeitsstaat«, strebe diese aber an. In der DDR habe es »Unrecht, wieder und wieder Ungerechtigkeit« gegeben: »Aber war die DDR deswegen ein Unrechtsstaat«, also ein Staat, in dem sich »alles staatliche Handeln statt in der Weise des Rechts in der Weise des Unrechts vollzog, der die Ungerechtigkeit sogar anstrebte?« Böckenförde antwortet mit der Aufforderung zu differenzieren. Auch die DDR habe »nicht darauf verzichtet, in vielen Bereichen in der Weise des Rechts zu handeln und für ihre Bürgerinnen und Bürger Gerechtigkeit anzustreben.« Die pauschale Kennzeichnung der DDR als Unrechtsstaat schieße deshalb über die Anerkennung von Unrecht und Freiheitsverletzung, die es in der DDR vielfach gegeben habe, weit hinaus, sei eine »Verzerrung der Wirklichkeit in politischer Absicht«. Zusammenfassend: »Die globale Kennzeichnung der DDR als Unrechtsstaat ist nicht nur falsch, sie kränkt auch die Bürger und Bürgerinnen der ehemaligen DDR.« Die allgemeine Abqualifizierung helfe nicht beim Zusammenwachsen.

Der Thüringer Ministerpräsident, ein Anhänger der globalen Abqualifizierung, sollte nach eigener Lektüre Böckenfördes Text den Schulen seines Freistaats empfehlen und nicht nur denen.

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