mardi 26 octobre 2010

Politische Strafjustiz: Tarek Aziz wegen "Eliminierung religiöser Parteien" zum Tode verurteilt


NZZ Online, 26.10.2010:

"Im Irak hat der Oberste Gerichtshof den früheren Vizepräsidenten Tarek Aziz zum Tode verurteilt. Die Richter befanden den Stellvertreter von Ex-Diktator Saddam Hussein der Verfolgung islamischer Parteien für schuldig.

Er war über Jahrzehnte hinweg das smarte Gesicht der Diktatur. Ein Gericht in Bagdad hat den ehemaligen irakischen Aussenminister Tarik Aziz zum Tode verurteilt. Das Gericht fand Aziz schuldig, eine führende Rolle bei «Eliminierung religiöser Parteien» gespielt zu haben. Zwei weitere Angeklagte wurden ebenfalls zum Tod durch den Strang verurteilt. Insgesamt ergingen 25 Urteile.

Der 74-jährige Christ aus dem nordirakischen Mossul hatte dem Regime in verschiedenen Positionen gedient. Er war Mitglied des Revolutionären Kommandorats der Baath-Partei, dem höchsten Entscheidungsgremium im Staat. Ab der Machtübernahme durch Saddam Hussein bis zu dessen Sturz 2003 war er Vizepremier.

[...]

Im vergangenen Jahr hatte das irakische Sondertribunal ihn wegen der Hinrichtung von 42 Kaufleuten im Jahr 1992 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Trotzdem fanden viele ehemalige Oppositionelle, die heute die Geschicke des Landes leiten, auch gute Worte für Aziz.

So bezeichnete in Ayad Allawi ihn vor ein paar Wochen sogar als Freund. Aziz sei ein guter Mann, sagte Allawi gegenüber dem britischen «Guardian». Er wünsche ihm alles Gute, und es sei falsch ihn so lange gefangen zu halten, Aziz sei ein alter Mann.

Allawi beisst sich im Streit um die Regierungsbildung seit Monaten die Zähne an Ministerpräsident Nuri al-Maliki aus, der sich eisern an sein Amt klammert. Wegen der Verfolgung der Partei von Maliki, der Dawa-Partei, wurde Aziz jetzt zum Tode verurteilt. Insofern birgt das Urteil erhebliche politische Sprengkraft.

Das Saddam-Regime hatte in den 1980er Jahre einen harten Feldzug gegen die Dawa-Partei, eine fundamenalistische Schiiten-Partei, geführt. Ihr Vordenker, der Geistliche Mohammed Mohammed Baker al-Sadr, und dessen Schwester wurden 1980 gehängt. Führende Kader, unter ihnen Maliki, flohen ins Ausland. Der staatliche Sender Irakiya war denn auch der erste, der Nachricht vom Todesurteil brachte.

Im Allawi-Lager, in dem sich viele ehemaligen Regime-Anhänger versammelt haben, die sich mit der neuen Ordnung, aber nicht der Vormacht religiösen Schiiten-Parteien abgefunden haben, wird man das Urteil als erneuten Beweis für die harte Haltung der Schiiten betrachten. [...]"

Aucun commentaire: