vendredi 24 avril 2009

Zum 94. Jahrestag des Völkermordes an den Armeniern


„Am 22. April 1939, also am Vorabend des von ihm und dem nationalen Kollektiv seiner Anhänger vorsätzlich vom Zaun gebrochenen Zweiten Weltkriegs, erklärte Adolf Hitler den versammelten Kommandeuren der SS-Todesschwadronen und einer höchst willfährigen Wehrmachtsgeneralität:

‚Ich habe meine Totenkopfverbände bereitgestellt mit dem Befehl, unbarmherzig und mitleidslos Mann, Weib und Kind polnischer Abstammung und Sprache in den Tod zu schicken. Nur so gewinnen wir den Lebensraum, den wir brauchen.’ Und dann:

„WER REDET DENN HEUTE NOCH VON DER VERNICHTUNG DER ARMENIER?“

Wer? Wir, wir! Atome, Moleküle jenes schlaflosen Gewissens der Menschheit, das soviel Ausdauer braucht.“


Ralph Giordano in seiner Rede zum 90. Jahrestag des Völkermordes an den Armeniern, 24. April 2005

Ein Verdienst von Otfried Höffes Werk „Demokratie im Zeitalter der Globalisierung“ (1999) ist es, der Tendenz zu einer widerstandslosen Hinnahme totalitärer Angriffe unter dem Vorwand des „Dialogs der Kulturen“ die Konzeption eines weltrepublikanischen Gemeinwesens entgegengesetzt zu haben. Als dessen Voraussetzung betrachtet Höffe die Universalisierung von Bürgertugenden, zu welchen er einen zunächst weitgehend auf die nationalstaatliche Solidargemeinschaft konzentrierten, tendenziell und potenziell jedoch kosmopolitisch aufgefassten Gerechtigkeitssinn zählt. Als dessen höchste Stufe manifestiert sich der Welt-Gerechtigkeitssinn auch in einem „kritischen Weltgedächtnis“, das der weit verbreiteten Verharmlosung von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (z. B. solcher, die in anderen Kontinenten an Angehörigen fremder Kulturen verübt und u. a. von „westlichen“ Anhängern des Multikulturalismus „aus ihrem kulturellen Kontext“ erklärt werden) Einhalt zu gebieten vermag: „Daß gewisse Genozide tief ins Weltgedächtnis eingegraben, andere dagegen lieber kleingeredet oder verdrängt werden, ist ein elementares ‘anamnetisches Unrecht’, dem ein gerechtes Weltgedächtnis dadurch entgegentritt, daß es die unterschiedlichen Gewalttaten in Erinnerung hält.“

Das „anamnetische Unrecht“ an den Armeniern findet innerhalb der türkischen Grenzen seine institutionelle Garantie nicht zuletzt in der strafrechtlichen Verfolgung türkischer Menschenrechtler, die den Genozid öffentlich als solchen thematisieren, wie es auch der türkisch-armenische Journalist Hrant Dink getan hatte, bevor er im Januar 2007 von fanatischen Nationalisten ermordet wurde. Jedoch beteiligten (und beteiligen) sich auch „westliche“ Regierungen an der Verschleierung des völkermörderischen Charakters des jungtürkischen Armeniermordes.

Bis heute hat sich der Deutsche Bundestag nicht dazu durchgerungen, auf gesetzgeberischem Wege einem angemessenen öffentlichen Gedenken der Opfer des anti-armenischen Völkermordes bundesweit zur Geltung zu verhelfen. Ein solcher Vorstoß könnte sich etwa an dem diesbezüglichen Gesetzestext der Französischen Republik aus dem Jahre 2001 orientieren: „Frankreich erkennt öffentlich den armenischen Genozid von 1915 an. Dieses Gesetz wird als staatliches Gesetz angewandt.“

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