Wie Israel stellvertretend für die europäische Moderne angegriffen wird.*
Die „linke“ Solidarisierung mit der „vaterländischen Bewegung“ der „Palästinenser“, die ihrerseits ihre panislamistischen Ursprünge niemals verhehlte, stellt eine politische Groteske dar, die bereits in den vergangenen Jahrzehnten bisweilen aufs Korn genommen wurde (so etwa von Henryk M. Broder). Allerdings fügt sich Tarachs Philippika gegen die Kollaboration der „sogenannten Linken“ – der Autor behandelt schwerpunktmäßig die (west-)deutsche „Neue Linke“ und ihre Erben – mit einer antisemitischen islamischen Rechten keineswegs lückenlos in einen „neokonservativen“ Diskurs ein: Jedwede (radikale) Linke als genuin freiheitsfeindlich und latent antisemitisch zu zeichnen, ist seine Sache nicht. Vielmehr spiegelt sich in Tarachs Werk das Leiden des Autors am Verrat einer selbsterklärten Linken an für die originäre (europäische) Linke programmatisch verpflichtenden Prämissen eines humanistischen Universalismus wider: an dem Recht auf radikale Religionskritik (das institutionell gewährleistet ist erst im Falle der Verdrängung herrschaftlicher Religion aus der Sphäre des Politischen) sowie an dem telos der Selbstorganisation freier Individuen jenseits ethnischer Zwangskollektive.
Wenn das Gros der deutschen „Neuen Linken“ sich ab 1967 scharf gegen Israels vermeintlich „aggressive“ Sicherheitspolitiken wandte (nachdem der SDS nur wenige Jahre zuvor noch für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen der BR Deutschland zur jüdischen Republik demonstriert hatte), so führt Tarach dies nicht zuletzt auf eine „unsterbliche Liebe“ der sogenannten Linken „zum Verlierertum“ (S. 281) zurück: Der einzige freiheitliche Verfassungsstaat im Nahen Osten galt dieser „Linken“ (erst) zu dem Zeitpunkt als Aggressor, als er sich gegenüber seinen ihm in Todfeindschaft gegenüberstehenden Nachbarn als wehrhaft erwies. Als einen weiteren Grund für „linken“ Antizionismus nennt der Autor eine unkritische Übernahme der israelfeindlichen Haltung der UdSSR (die die Gründung der israelischen Republik begrüßt und diese während des Unabhängigkeitskrieges 1948/49 mit Waffen versorgt hatte, seit den 1950er Jahren jedoch einseitig auf die arabische Karte setzte). Dies trifft gewiss auf den prosowjetischen Teil der westdeutschen „Linken“ zu, mutatis mutandis gilt der Befund einer auswärtigen Einflussnahme auf israelpolitische Positionen einer „radikalen Linken“ freilich auch für die Rezeption der israelfeindlichen Polemiken der VR China im maoistischen Spektrum Westdeutschlands, das Tarach nicht explizit erwähnt.
Tarach schließt das letzte (17.) Kap. mit einer treffenden Polemik gegen jenes Segment der bundesdeutschen „Linken“, das wie kein anderes in den Jahren 1998-2005 die Regierungs-, nicht zuletzt auch die Außenpolitik unserer Republik bestimmte:
„In der ökologischen Nische der ‚Palästina-Solidarität’ konnte dann zunehmend eine Blut-und-Boden-‚Linke’ Fuß fassen (vertreten beispielsweise durch die konsequent antizionistische Sponti-Postille ‚Pflasterstrand’), die aber auch in anderen Fragen einen Verrat an den Werten der Aufklärung begangen hatten, am grundsätzlichsten vielleicht durch ihre Wissenschaftsfeindlichkeit.
Wer unter Hitler Denunziant oder KZ-Wärter geworden wäre, fand nun Gefallen an der Forderung ‚Juden raus aus Palästina’ (die sich hinter antiimperialistischen Phrasen notdürftig versteckte). Wer aufgrund seiner Psychostruktur am liebsten die scheußliche soziale Ungleichheit der Geschlechter verteidigt und für die deutschtümelnden Heimatvertriebenen-Verbände gekämpft hätte, konnte nun, weil ihm seine 'linke' Sozialisation dies nicht erlaubte, sein Herz stattdessen für die heimatvertriebenen Palästinenser entdecken. Und die gleiche verlogene und schlappe Pseudo-Linke, die Anfang der 80er Jahre im Falklandkrieg vor lauter ‚Antiimperialismus’ den argentinischen Samba-Faschismus gegen England verteidigte, unterstützt heute den palästinensischen Wasserpfeifen-Faschismus gegen Israel.“ (S. 284 f.)
Die Lektüre von Tarachs Buch ist jedem zu empfehlen, der an einer kompakten Einführung in die Motivation einer pseudo-linken „Israel-Kritik“ interessiert ist, deren antimodernistischen, antiwestlichen Kern der Autor schonungslos offen legt. Bei der Parteinahme nicht nur „linker“ Feinde Israels für islamische „Freiheitskämpfer“, welche – keineswegs nur in „Palästina“ – der „eigenen“ Jugend keine anderen Perspektiven gesellschaftlicher Organisation zu bieten haben, als die der Vorbereitung auf Suizid-Attentate, handelt es sich nicht um eine verfehlte Einschätzung irgendeines internationalen Konflikts, sondern um ein offenes Bekenntnis zur Barbarei.
Tilman Tarach: Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die „Protokolle der Weisen von Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt. Freiburg: Edition Telok 2009. 300 S., 19.80 €
* Der vollständige Text der Rezension wird in EUROjournal pro management 2/2009 (Juni 2009) erscheinen.
1 commentaire:
Eine kritische Rezension ist bei Schmok zu lesen, wo exemplarisch einige Textstellen von Tarach auseinander genommen werden:
http://schmok.blogsport.eu/2010/04/08/tilman-tarach-der-neue-deutsche-alan-dershowitz/
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