mardi 29 avril 2008
"Unabhängiges Kosovo" - kein Präzedenzfall?
Daß Die Linke sich gern als Verfechterin der Respektierung völkerrechtlicher Normen und parlamentarischer Arm der Friedensbewegung darstellt, hinderte den Bundestagsabgeordneten der “Linken” Hakki Keskin nicht daran, die sog. “Türkische Republik Nordzypern” zu besuchen - ein Gewaltkonstrukt, das 1983 - infolge der türkischen Besetzung von 36,2 % des Staatsgebietes der Republik Zypern im Jahr 1974 - einseitig proklamiert wurde und dessen “Staatlichkeit” die internationale Staatengemeinschaft (mit Ausnahme des Aggressorstaates Türkei) bis heute nicht anerkennt.
In der eigenen Partei stößt der Besuch Keskins im türkisch besetzten Nordzypern keineswegs allenthalben auf Begeisterung. Das gegenwärtige Staatsoberhaupt des EU-Mitgliedstaates Zypern, Dimitris Christofias, gehört der griechisch-zypriotischen Linken, der 1926 gegründeten Fortschrittspartei des werktätigen Volkes (AKEL), an. Diese verfügt - als in der Gewerkschaftsbewegung verankerte parteipolitische Formation - traditionellerweise über enge Kontakte auch zur ethnisch-türkischen Gemeinschaft Zyperns, und Christofias wird auch in Nordzypern vielfach als ein Hoffnungsträger mit Blick auf eine Wiedervereinigung des Inselstaates angesehen. In dieser Situation kann der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken, Wolfgang Gehrcke, nicht umhin, den türkisch-nationalistischen Kommunitaristen Keskin wegen seines provokatorischen Handelns offen zu rügen: “Ich denke, daß wir als Linke in erster Linie die Aufgabe haben, die Position des AKEL-Präsidenten Dimitris Christofias zu stärken”.
Freilich ist der Nordzypern-Besuch Keskins nicht der erste “Ausrutscher” eines “linken” Politikers, der die internationalistischen Postulate der Kommunisten und linken Sozialdemokraten in seiner Partei offenbar nicht internalisiert hat. So schreckt Keskin nicht einmal vor einer Verhöhnung der Opfer des jungtürkischen Armeniermordes zurück, indem er den Genozid-Charakter der systematischen Ermordung von 1,5 Millionen Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 bestreitet und sich darüber hinausgehend implizit sogar mit den Verfolgungsmaßnahmen der gegenwärtigen türkischen politischen Justiz gegen türkische Bürger solidarisiert, die sich um eine Aufklärung über an den Armeniern verübte Verbrechen gegen die Menschheit bemühen: “Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass die Türkei in diesem Zusammenhang nicht die Tatsache leugnet, dass bei der Deportation Hunderttausende Armenier, aber auch Muslime, ums Leben kamen.” Die Türkei wende sich “jedoch entschieden gegen die Unterstellung einer vorsätzlichen Vernichtungsabsicht, deren authentischer Nachweis bislang ausgeblieben ist.”
Personalpolitisch hat “Die Linke” aus solchen nationalchauvinistischen Ausfällen eines ihrer Parlamentarier keinerlei Konsequenzen gezogen.
Der Gerechtigkeit halber sollte nicht unerwähnt bleiben, daß auch die anderen Bundestagsfraktionen - einschließlich der der Union - sich bisher nicht zu einem angemessenen öffentlichen Gedenken der Opfer des Völkermordes an den Armeniern durchgerungen haben, das sich etwa an dem folgenden Gesetzestext der Französischen Republik aus dem Jahre 2001 orientieren könnte: “Frankreich erkennt öffentlich den armenischen Genozid von 1915 an. Dieses Gesetz wird als staatliches Gesetz angewandt.”
Was Keskins jüngste antigriechische Provokation anbelangt, sollte auch nicht ausgeblendet werden, daß der türkisch-nationalistischen Positionen zuneigende Abgeordnete hier lediglich dem “Vorbild” des Altkanzlers Gerhard Schröder und der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth folgte, die in den vergangenen Monaten ebenfalls durch Reisen nach Nordzypern den Ergebnissen einer türkischen Aggressionspolitik einen Legalitätsschein zu verleihen trachteten.
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