samedi 5 avril 2008

Seit wann ist die Lafontainesche "Linke" antikhomeinistisch?


WELT Online berichtet über eine Debatte betreffend Chinas Vorgehen in Tibet in der Hamburger Bürgerschaft und den Beitrag einer Abgeordneten der "Linken", Christiane Schneider, zu dieser Debatte:

"In ihrer Rede verglich sie [Christiane Schneider] das tibetische Oberhaupt Dalai Lama mit dem iranischen Revolutionsführer Khomeini. Es sei nie gut, wenn ein religiöser Führer in der Opposition sei, sagte Schneider. Und erntete entsetzte Zwischenrufe."

Tatsächlich hatte Frau Schneider jedoch nicht behauptet, es sei "nie gut, wenn ein religiöser Führer in der Opposition sei", sondern vielmehr das exakte Gegenteil:

"Die Weltgesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten keine guten Erfahrungen mit Religionsführern gemacht, die sich als Repräsentanten gesellschaftlicher Opposition in die Politik mengten. Ich erinnere zum Beispiel an Khomeini." (Zit. nach: ZEIT online, 3.4.2008)

Mit anderen Worten: Die Weltgesellschaft solle nach Möglichkeit kein Verhalten an den Tag legen, das säkulare Staaten daran hindern könnte, dafür zu sorgen, daß "Religionsführer" dort blieben, wohin sie gehörten: in der Opposition. Nähme man das Statement der "Linken"-Abgeordneten ernst, so ergäbe sich aus ihm iranpolitisch ein - respektables - Plädoyer für eine Ächtung des - nach innen wie nach außen! - (staats-)terroristisch agierenden theokratischen Regimes der Ajatollahs.

Wer ein Europa der citoyenneté für verteidigungswürdig hält, dem kann das Bestreben der Dynastie Pahlevi - gleichsam eine säkulare iranische Rechte verkörpernd -, den schiitischen Klerus weitgehend aus der Sphäre des Politischen herauszudrängen, ebenso wenig als illegitim gelten, wie die Weigerung der chinesischen Staatsführung, vor Gewalttätern zurückzuweichen, die jüngst in Tibet Menschenjagden auf Han-Chinesen unternahmen. (Daß der Dalai Lama sich von Gewaltakten dieser Art unmißverständlich distanziert hat, ändert nichts daran, daß nicht nur die Pogromisten selbst, sondern auch ihre Sympathisanten im "Westen" sich darauf zu berufen pflegen, Tibet gehöre den Tibetern, während es sich bei den - in der Regel ausgesprochen säkularen - han-chinesischen Einwanderern um Eindringlinge handele, die dem tibetischen Buddhismus religiokulturell nicht kompatibel seien. Kurz: Die Manier tibetischer Sezessionisten und ihrer multikulturalistischen Weggefährten, der chinesischen Hoheitsausübung die Fiktion einer ethnisch und kulturell-religiösen "reinen" tibetischen Nation polemisch entgegenzusetzen, ist keinesfalls ein Hirngespinst.)

Nur leider: Gerade islam(ismus)politisch ist es mit dem Bekenntnis der "Linken" zu einer Abwehr theokratischer Herrschaftsansprüche nicht weit her*: Anstelle einer Solidarisierung mit Islamkritikern, deren Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit auch inmitten der EU seitens vermeintlicher "Islamophobie"-Opfer in Frage gestellt wird, hebt Oskar Lafontaine (sachlich nicht unzutreffend) eine Affinität der kollektivistischen Linkssozialdemokratie, wie er sie verkörpert, zum (traditionalistischen) Islam heraus. Der Hamburger Parteikollege Schneiders, MdB Norman Paech, hält nicht nur die chinesische Hoheit in Tibet, sondern auch die russische in Tschetschenien für Gegenstände einer "nicht nach strategischen Interessen gestaffelten" deutschen "Menschenrechtspolitik" - wenngleich er (anders als mancher Parteifreund Claudia Roths) der Vorstellung, China und Rußland mit Bombenteppichen zu belegen, um Tibeter und Tschetschenen von allen säkular-staatlichen Zumutungen zu befreien, nichts abgewinnen kann:

"Menschenrechtspolitik ist allemal Geopolitik. Es sollte uns nicht verblüffen, dass diese „humanitären Eingriffe“ entgegen dem universalen Anspruch der Menschenrechte durchaus selektiv geschehen: zwar auf dem Balkan, weil gleichsam im eigenen Haus, nicht aber in der Türkei, da von NATO-strategischer Bedeutung, und auch nicht in Tschetschenien und Tibet, da Russland und China immer noch Nuklearmächte mit enormer ökonomischer Bedeutung für die NATO-Länder sind. Um nicht missverstanden zu werden, ich plädiere nicht für eine militärische Intervention in der Türkei, Russland oder China, sondern für eine nichtmilitärische und nicht nach strategischen Interessen gestaffelte Menschenrechtspolitik." (Norman Paech, Das Völkerrecht und die Instrumentalisierung der Menschenrechte, in: Wissenschaft und Frieden, 02/2007)


* Dies gilt - mutatis mutandis - natürlich auch für die Kritiker Schneiders, insbesondere jene aus den Reihen der Fischer-Partei, die sich, in Regierungsgewalt befindlich, in Sachen Verharmlosung der islamofaschistischen Staatsterroristen im Iran von kaum jemandem übertreffen ließen und die bis heute für eine Politik des Appeasement gegenüber den Khomeinisten eintreten. Wer - wie Fischers Grüne - vor dem "reformerischen" Islamisten Khatami auf dem Boden lag und (nach wie vor) die antiislamistische iranische Opposition im Stich läßt, während er sich gleichzeitig ostentativ für die "Tibet-Solidarität" stark macht, dessen Empörung darüber, daß Khomeini und der Dalai Lama in einem Atemzug genannt werden, sollte nicht als Ausdruck menschenrechtlicher Authentizität verherrlicht werden.

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