jeudi 27 mars 2008
Wo EU-Rechtsnihilisten auf Grenzen stoßen
"[...] Recht schwach ist bisher die globale Zustimmung zur illegalen kosovarischen Sezession; nach zwei Wochen hatten gerade 26 Länder die serbische Provinz als Staat anerkannt, und auch die Europäer sind sich da keineswegs einig (Spanien, Griechenland, Slowakei, Rumänien und Zypern haben ihre Ablehnung erklärt, weswegen es eine EU-offizielle Anerkennung eines Staates 'Kosovo' nicht geben wird). Die Aufwertung der Willkür zum gestaltenden Prinzip der internationalen Politik stößt eben nicht nur auf Gegenliebe, vor allem nicht bei denjenigen, denen es selbst an den Kragen zu gehen droht. [...]
Überraschend stark sind die Widerstände im Kosovo selbst, vor allem im Norden der Provinz. Dies meint nicht die Sprengsätze, die seit dem Tag der Abspaltung den serbischsprachigen Teil der Stadt Kosovska Mitrovica erschüttern und das dort stationierte westliche Besatzungspersonal vertrieben haben. Viel stärker ist die Gegenwehr, die sich - in den serbischsprachigen Gebieten tief verwurzelt - auf der Basis juristisch korrekter Positionen zu formieren beginnt. Der Grundgedanke ist einfach und zwingend. Wenn die Sezession das Völkerrecht bricht, dann ist auch das Regime in Pristina illegal. Belgrad hat daher die selbsternannte kosovarische 'Staats'-Spitze des Hochverrats angeklagt. Wer aber Anweisungen von Hochverrätern befolgt, verstößt ebenfalls gegen das Gesetz. Wer sich sicher sein will, nicht in Zukunft wegen Beihilfe zum Hochverrat angeklagt zu werden, falls sich die globalen Machtverhältnisse noch einmal ändern und in Südserbien dem Recht zum Durchbruch verhelfen sollten, muß dem Regime von Pristina jeden Gehorsam verweigern. Dies gilt übrigens auch für die Kooperation mit der EU-Mission, die derzeit ohne völkerrechtliche Grundlage in das Kosovo entsandt wird. Geht es nach internationalem Recht, dann handelt es sich bei dieser Mission um eine Okkupationstruppe mit angemaßten Kompetenzen. Ihre Mitglieder müssen ebenso wie ihre Unterstützer damit rechnen, in Zukunft vor Gericht gestellt zu werden.
Noch im Februar begann denn auch ein Massenexodus aus den illegalen kosovarischen Behörden. Den Anfang machten mehrere hundert Polizisten, die ihrer Amtsleitung in Pristina den Gehorsam verweigerten. Ihnen folgten Juristen, Priester und schließlich Eisenbahner. Die Angestellten quittierten jeweils den Dienst in den Sezessionsapparaten und suchten den Anschluß an die legalen serbischen Institutionen. Teilweise gerieten dabei Einrichtungen im Nordkosovo zum ersten Mal seit 1999 wieder unter Belgrader Kontrolle. Das Vorgehen, das in den westlichen Medien als Aufbau sogenannter Parallelstrukturen denunziert wird, entspricht tatsächlich internationalem Recht: Die Mitarbeit in gesetzlosen Institutionen wird eingestellt, man sucht die Zusammenarbeit mit den legalen Behörden.
Der serbischsprachige Norden des Kosovo wächst dabei zunehmend wieder mit dem Kernterritorium Serbiens zusammen. [...]"
(Jörg Kronauer, "'Wir betrachten diesen Akt als illegal'", in: KONKRET, 4/2008, S. 33)
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