In einem am 29. Februar veröffentlichten FAZ-Interview hält Natalja Alexejewna Narotschnizkaja, Direktorin des - in diesen Tagen eröffneten - russischen Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit in Paris, der EU menschenrechtspolitisch einen Spiegel vor:
FAZ: Wie beurteilen Sie aus menschenrechtlicher Sicht die Entscheidung der Europäischen Union, dem Kosovo eine kontrollierte Unabhängigkeit zu gewähren?
Narotschnizkaja: Bei der Kosovo-Entscheidung dienten die Menschenrechte als pharisäerhafter Vorwand, um aggressiv gegen einen souveränen Staat in Mitteleuropa vorzugehen und im militärstrategischen Interesse der Vereinigten Staaten neue Grenzen zu ziehen. Europa ist so kurzsichtig! Ethnische Konflikte werden hochkochen, und Amerika wird die Konfliktparteien gegeneinander ausspielen. Unter dem Vorwand der Menschenrechte wird die Weltkarte umgezeichnet. Selbst zu Zeiten der Tyrannen genoss das Völkerrecht mehr Respekt. Dass die Rechte der Serben sicher sind, bezweifle ich. Als albanische Kämpfer die Altäre orthodoxer Kirchen mit Exkrementen schändeten und zerschossene Ikonen mit der Aufschrift „UÇK“ beschmierten, haben die Besatzungstruppen der Nato keinen Finger gerührt.
(Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die eminente Bedeutung, die etwa auch die griechische Orthodoxie der Ikone als der Darstellung des "konkreten Vollzug[s] der Menschwerdung [Gottes] in der Person mit Namen Jesus" zumißt. Auf dieses Verständnis der Ikone als Bezeugung der "konkreten Fülle" der Menschwerdung stützte sich der Erbischof von Athen und ganz Griechenland Christodoulos, als er im Mai 2000 ein "Mit-Füßen-Treten der menschlichen Ikone" und den "Sturz des menschlichen Bildes in die Abgründe der Verleugnung jeder menschlichen Würde" geißelte, wie sie durch den "gottlosen Humanismus" verursacht worden seien. Siehe: Dimitrios Kisoudis, Ikone und Ethos in der griechischen Orthodoxie, in: Sezession H 18 / Juni 2007, 42-43.)
Narotschnizkaja, die kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn sie beklagt, daß das Rechtsbewußtsein in Rußland vielfach mangelhaft ausgeprägt sei, legt den Finger in die Wunde eines Menschenrechtsverständnisses insbesondere der EU-europäischen "Linken", die auf der einen Seite, unter "laizistischem" Vorzeichen, die Erwähnung der christlichen (oder judäochristlichen) Traditionen Europas in offiziellen Dokumenten als unangemessen betrachten - während sie auf der anderen Seite das Gebot der weltanschaulichen Neutralität der politischen Institutionen der EU in radikaler Weise zur Disposition stellen, wenn ein christlicher Konservativer sich öffentlich zu seinen religiösen Überzeugungen bekennt:
Narotschnizkaja: [...] Dass die christliche Tradition in der europäischen Verfassung nicht erwähnt wird, ist skandalös. Wenn ein katholischer Politiker wie Rocco Buttiglione nicht sagen darf, dass in der Bibel Homosexualität zur Sünde erklärt wird, ist das eine neue Form von Totalitarismus. [...]
2 commentaires:
Ich stimme mit Narotschnizkaja überein, dass die Menschenrechte ein "pharisäerhafter Vorwand" waren, um aggressiv gegen einen mitteleuropäischen Staat vorzugehen. Aber wo waren da die "militärstrategischen Interessen" der Vereinigten Staaten?
In Bezug auf das menschenrechtsverständnis der EU-europäischen Linken hast du allerdings recht.
Frau Narotscnizkaja hat eine klare Sprache und ein fundiertes historsiches Verständnis. Solche Stimmen müssten lauter in der "blinden" EU zu hören sein.
Auch das Interview in der FAZ vom 29.2.2008 sollte uns zu denken geben . Wir können davon viel lernen.
Rainer Hornschild
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