Die diesjährige September-Ausgabe des von André Lichtschlag herausgegebenen libertären Magazins eigentümlich frei (ef) enthält ein Interview mit dem extremistischen Blogger Stefan Herre, der von sich behauptet, durch sein Organ Politically Incorrect (PI) eine breite Leserschaft kontinuierlich über freiheitsfeindliche Bestrebungen muslimischer Einwanderer zu informieren. Daß „ef“ dem „Islamophoben“ Herre, den es als „Kreuzritter“ vorstellte, die Möglichkeit gab, seine politischen Vorstellungen einem libertären Publikum gegenüber darzulegen, stieß im Umfeld von Lichtschlags Magazin nicht ungeteilt auf Gegenliebe. So nahm sich der libertäre Feminismus-Kritiker Arne Hoffmann, der erklärtermaßen auch in Claudia Roth und der taz Verbündete im Kampf gegen eine Anfeindung von Muslimen sieht, bereits am 6. September die Freiheit, in Lichtschlags Blog ef-online „Gegenposition“ zu beziehen – wenngleich er nicht glaube, „dass man zu Morddrohungen eine sinnvolle ‚Gegenposition’ beziehen kann“. Die Betreiber des Blogs „PI“ ließen es zu, daß Kommentatoren Andersdenkenden in wüstester Weise attackierten und ihnen Gewalt androhten – so Hoffmann unter Berufung auf Presseberichte. Auf Hoffmanns „Replik“ auf das „ef“-Interview mit Herre reagierte der Angegriffene mit einer „Duplik“. Daß mehrfach strafrechtlich relevante Äußerungen in seinem Blog unzensiert geblieben seien, konnte er nicht widerlegen.
Was sowohl Hoffmann, als auch Herre praktisch gänzlich ausblenden: Das vermeintliche „Kreuzritter“-Organ „PI“ ist weder eine publizistische Speerspitze zivilcouragierter liberaler Islamismus-Kritiker – eines Salman Rushdie, eines Robert Redeker, eines Louis Chagnon, einer Oriana Fallaci –, noch richten sich seine Veröffentlichungen blindwütig gegen alles „Muslimische“. Gerade Tendenzen „völkischer“ Polemik, wie sie sich etwa in den Beschimpfungen des liberalen Islamismus-Experten und Multikulturalismus-Kritikers Bassam Tibi durch „PI“ zeigen, illustrieren nicht den „rassistischen“ Kern radikaler Islam-Kritik – wie ihn Hoffmann insinuiert –, sondern bringen Herre vielmehr in einen diametralen Gegensatz zu menschenrechtlich motivierten Gegnern der politischen Herrschaftsansprüche des Islam. Tatsächlich ist „PI“ nicht nur nicht repräsentativ für eine publizistische Szene radikaler Kritiker des politischen Islam, sondern gilt auch als Störenfried insofern, als seine Existenz „Anti-Antiislamisten“ wie Hoffmann Munition liefert. An gemeinsamen Auftritten mit Herre, der (zumindest zeitweilig) für die aus der extremen Rechten hervorgegangene Lokalpartei „Pro Köln“ warb, sind etwa die exil-iranische Frauenrechtlerin Nasrin Amirsedghi oder Ralph Giordano nicht interessiert.
Der oftmals gegen „PI“ gerichtete Vorwurf, Muslime generaliter als Gewalttäter und Terroristen an den Pranger zu stellen, trifft ebenso wenig ins Schwarze: Anders als die – meist aus der politischen Linken stammenden – liberal-demokratischen Islam(ismus)-Kritiker haben „rechte“ Moscheenbau-Gegner wie Herre oder der „Pro Köln“-Begründer Manfred Rouhs nämlich mit einer Ächtung islamistischer Gewaltregime auf der Grundlage des universalen Geltungsanspruchs der Menschen- und Bürgerrechte nichts zu schaffen. So begrüßte Rouhs 1999 den barbarischen Bombenkrieg gegen Jugoslawien, da durch diesen die politischen Ziele der islamischen albanischen Sezessionisten begünstigt würden. Und noch Ende 2005 schloß sich Herres „PI“ der anti-russischen Agitation der bekennenden Islam-Freunde Norbert Blüm, Rupert Neudeck und Bernd Posselt an, die in der Bekämpfung tschetschenischer und dagestanischer Islamisten einen „Völkermord“ sehen. Was die exil-iranische Bürgerrechtlerin Maryam Namazie über die multikulturalistischen Kulturrelativisten bemerkt, trifft vollumfänglich auch auf Herre zu, wenn er indirekt menschenrechtswidrige Herrschaftsansprüche islamistischer Theokraten für legitim erklärt:
„’Multikultis’ gehen so weit zu behaupten, Menschenrechte hätten ausschließlich westlichen Charakter und seien mit einer islamischen Gesellschaft unvereinbar. […] Die Niederlage der Nazis und ihrer Theorie der biologischen Unterschiede haben den Gedanken rassischer Überlegenheit gewaltig in Misskredit gebracht. Trotzdem fand der antihumane Gehalt, der im Rassismus steckte, eine andere, in der heutigen Zeit weniger aneckende Ausdrucksform. Statt rassistischer Begriffe werden nun kulturelle Begriffe bemüht, um Unterschiede zu manifestieren. Deshalb ist der Multikulturalismus nichts anderes als die neue Ausdrucksform des Faschismus, und seine Verfechter und Anhänger sind die Anhänger eines zeitgemäßen Holocausts.“
Tatsächlich reden Herre und die anderen wackeren Kämpfer gegen den europäischen „Kulturimperialismus“, die in dem militärischen Vorgehen gegen Maschadow und Bassajew (unser Bild) Kriegstreiberei und Völkermord sehen, insofern einem „zeitgemäßen Holocaust“ (Maryam Namazie) das Wort, als sie die „Option“ für legitim erklären, die Tschetschenen unter dem Joch der Scharia zu belassen.
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