samedi 18 août 2007

Bharat - Bastion eines freiheitlich-republikanischen Universalismus


In weltökonomisch erfolgreichen Gesellschaften Ost- und Südostasiens wird dem universalistischen Geltungsanspruch der Werte und Institutionen der liberalen Demokratien oft eine brüske Absage erteilt. So stellte etwa der langjährige Ministerpräsident Malaysias, Mahathir, den individualistisch ausgerichteten Menschen- und Bürgerrechtskatalogen des „Westens“ traditionelle „asiatische“ Auffassungen des Verhältnisses zwischen Individuum und Gemeinschaft gegenüber. Demgegenüber läßt sich (neben dem „japanischen Modell“) auf die demokratiepolitische Erfolgsgeschichte der Indischen Union (Bharat) verweisen. Allerdings setzte sich das Staatsorganisationsmodell der vor 60 Jahren ins Leben gerufenen „größten Demokratie der Welt“ nur in einem Teil des Indischen Subkontinents durch. Denn „Britisch-Indien“ wurde am 15. August 1947 geteilt in die Unabhängigkeit entlassen. So erhielt neben der (mehrheitlich hinduistischen) Indischen Union auch der „Muslim-Staat“ Pakistan den Status eines Dominion im Commonwealth of Nations. Und in den vergangenen sechs Jahrzehnten konnten sich wirkungsmächtige parlamentarisch-demokratische Institutionen nach indischem Muster weder in Pakistan noch in Bangla Desh (dem früheren „Ostpakistan“; 1971 unabhängig), weder in Burma (1937 von Britisch-Indien abgetrennt; 1948 unabhängig) noch in Ceylon (1948 unabhängig; seit 1972 Sri Lanka) durchsetzen. Insofern stellt Bharat, seinem Anspruch nach ein säkulares, auf die Prinzipien eines föderalistischen Republikanismus gegründetes Gemeinwesen, innerhalb Südasiens einen „Sonderweg“ dar.

Charakteristisch für den antikolonialen indischen Nationalismus, wie er seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den städtischen Eliten Britisch-Indiens getragen wurde, war der Respekt vor den Errungenschaften des „Westens“ vor allem auf technisch-industriellem Gebiet, aber auch in der Sphäre der politischen Institutionen. In der Kolonialmacht Großbritannien sahen die „modernistischen“ indischen Nationalisten (zunächst) einen „politischen Führer und moralischen Lehrer“. Die erfolgreiche Geschichte Großbritanniens habe das unterworfene Indien „jene Grundsätze der Freiheit gelehrt hat, die wir schätzen wie das Blut unseres Lebens“, erklärte Surendranath Banerji, einer der führenden Köpfe des 1885 ins Leben gerufenen Indischen Nationalkongresses (INC). Allerdings bildete sich innerhalb des INC, der unter Beteiligung liberaler Engländer gegründet worden war, auch eine hinduistisch-traditionalistische Fraktion heraus.

Gegenüber dem INC, der sich zunehmend als Massenbewegung formierte, setzten die Briten auf die Mobilisierung der muslimischen Minderheit (aber auch der kastenlosen Hindus), der eine Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht vielfach als Garant gegen die Gefahr einer hinduistischen Majorisierung erschien. So ließ sich die 1906 konstituierte Muslim-Liga – aus der die politische Klasse Pakistans hervorgehen sollte – auf eine strategische Kooperation mit Großbritannien ein, mit dem Ziel, den INC in seiner Autorität als Repräsentanz aller Inder zu erschüttern. Im Rahmen ihrer Vorstöße zu einer begrenzten Demokratisierung Britisch-Indiens legte die britische Kolonialverwaltung 1932 – unter dem Vorzeichen des Schutzes religiöser Minderheiten – eine Wahlregelung fest, nach der es den Muslimen ermöglicht werden sollte, sich über getrennte Wahllisten als eine ‚Nation in der Nation’ repräsentieren zu lassen.

Das durch den II. Weltkrieg ökonomisch und weltpolitisch geschwächte Großbritannien sah sich ab 1945 – unter Verantwortung der Labour-Regierung Attlee – genötigt, in Südasien einen Prozeß der Entkolonialisierung einzuleiten, der versprach, London – über die Institutionen des Commonwealth – ein Minimum an Einflußmöglichkeiten in dieser Weltregion zu belassen. Genau zwei Jahre nach der Kapitulation Japans – des Hoffnungsträgers auch vieler nationalistischer Inder – zogen sich die Briten aus Indien zurück. Die „Vivisektion“ (Mahatma Gandhi) des indischen Subkontinents entlang religiöser „Bruchlinien“ brachte jedoch Vertreibungen und Massenmorde riesigen Ausmaßes mit sich, durch welche Millionen Hindus, Sikhs und Muslime in Mitleidenschaft gezogen wurden. So verloren etwa die Sikhs durch die Gründung Pakistans mehr als die Hälfte ihres angestammten Siedlungsgebietes und ihrer Wallfahrtsstätten.

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