mercredi 28 octobre 2015

Freyheit und Democracy (51)

jW, 21.10.2015:

Von der Bundesrepublik erhofft sich Murat Kurnaz nichts mehr. Die Jahre von 2002 bis 2006 musste er – in der BRD geboren und aufgewachsen – im US-Foltergefängnis Guantanamo zubringen. Während eines Aufenthalts in Pakistan hatte man ihn festgesetzt; eine Anklage gab es gegen ihn nicht. Eigentlich hätte Kurnaz’ Tortur in Guantanamo schon früh enden können. Zumindest behaupten das die US-Behörden. Doch die Bundesrepublik weigerte sich, den Verschleppten aufzunehmen. »Frank-Walter Steinmeier hat verhindert, dass ich einreisen kann«, meint Kurnaz bitter. Und als sich Kurnaz’ Rückkehr doch nicht mehr abwenden ließ, da machte ihn der Sozialdemokrat verächtlich. Manche hätten noch lange gedacht, meint Kurnaz, dass er nicht Opfer, sondern gefährlicher Täter sei. Weniger Engagement zeigten Politik und Justiz beim Vorgehen gegen jene US-Verbrecher, die ihn unschuldig inhaftierten. »Da ist absolut gar nichts passiert.«

Das sagte Kurnaz im Rahmen einer Berliner Diskussionsveranstaltung am Montag abend. Besprochen wurde die Verantwortung der USA für Folter und Verschleppung. Zur Veranstaltung hatten die »Cinema for Peace Foundation« (Gesellschaft Kino für den Frieden) und das »European Center for Constitutional and Human Rights« (Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte, ECCHR) geladen.

»Guantanamo wurde nur aus einem Grund geschaffen: Es ist angelegt, das geltende Recht zu umgehen«, sagte Baher Azmy vom Center for Constitutional Rights mit Sitz in New York. In dem US-Gefängnis bestehe ein »System kontinuierlicher, brutaler Langzeitverhöre«. Die Anlage stehe für die »Barbarei der Folter« – und breite diese noch aus. Dem »Vorbild« folgten »CIA-Geheimgefängnisse überall auf der Welt«. Auch in Europa. Doch noch immer sei Guantanamo geöffnet – seit nunmehr 14 Jahren. Und 114 Insassen müssen dort auf ihre Freilassung hoffen, sagte Azmy. Gut die Hälfte kommt nur deswegen nicht frei, weil ihnen die Einreise in ihre Heimatstaaten verwehrt wird.

Einzig Menschenrechtsorganisationen würden aber eine Verurteilung derjenigen US-Offiziellen anstrengen, die für Guantanamo verantwortlich sind, sagte Murat Kurnaz. Sein eigener Fall war zum Thema eines Untersuchungsausschusses des Bundestags geworden. Doch die Vorgänge dort seien »einfach nur lächerlich« gewesen. »Angeblich sind gleich 20 PCs der Behörden abgestürzt. Alle Dokumente über mich gingen dabei verloren.« Sicherungskopien hatte es – ebenfalls: angeblich – nicht gegeben. Damit war ihm auch die Möglichkeit genommen, vor deutschen Gerichten zu klagen. »Ich konnte nichts mehr machen.«

Das ECCHR versucht indes noch immer, den Konstrukteuren des US-Foltersystems aus Europa heraus zu Leibe zu rücken. Man bleibe am Thema dran, sagte Wolfgang Kaleck vom ECCHR. Die Organisation strengt in verschiedenen Staaten Klagen gegen CIA-Agenten und US-Obere an. Meist dann, wenn sie beabsichtigen, die entsprechende Nation zu besuchen. Nur schleppend gehe das voran, ein »ausgesprochen langer Atem« sei nötig.

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