lundi 2 mars 2015

Informationspolitik für Deutsch-Europa (26)

ND, 2.3.2015:

Diejenigen Journalisten und Redaktionen in der Bundesrepublik, denen Putin als der weltweit einzige Bösewicht in einem politischen Führungsamt gilt, mussten sich gedanklich nicht erst anstrengen, für sie ist das »Todesrätsel vor den Mauern des Kreml« gar keines; in jenem Gebäude selbst residiert der Verantwortliche, denn nun ist die »Todesdrohung an alle oppositionellen russischen Politiker« brutal und in aller Öffentlichkeit verkündet ( »Die Welt«). »Nur Furcht hält Putins System am Leben«, die »Hinrichtung« Nemzows fand »wie nach dem KGB-Handbuch« statt (»BILD«), »wer nicht für Putin ist, fürchtet sich spätestens jetzt« (»Die Welt«), »Nemzow war der letzte, der die Wahrheit aussprach« (»Spiegel Online«), »die russische politische Elite wird vernichtet« (»Süddeutsche«).

Der Kreml aber, weiß »Spiegel Online«, hat eine große »Operation Desinformation« gestartet, er geht verschwörungstheoretisch vor: War der Mord vielleicht ein spannungsfördernder, geheimdienstlicher Akt im Interesse der Feinde Putins? Oder eine islamistische Gewaltttat? Oder eine Wahnsinnstat solcher ukrainischer Separatisten, die ihre eigenen Ziele verfolgen? Oder schließlich doch privat motiviert, geschäftlich bzw. als Rache an einem Macho?

Wie auch immer - da muss man nicht grübeln und auch keine näheren Informationen abwarten - Putin ist auf jeden Fall der Schuldige. »Entscheidend« (für die Schuldfrage) »ist nicht der Auftrag, sondern die Atmosphäre« heißt es in der »ZEIT«, und wer sonst als der Kremlchef soll für diese verantwortlich sein, meint auch die »F.A.Z.«

Auf eine andere, geopolitische Sicht der Dinge verweist allerdings, diskurstaktisch wohl etwas leichtfertig, die »Welt am Sonntag«: Der Mord spitze womöglich die inneren Konflikte in der russischen Gesellschaft dramatisch zu, und wenn dieser Staat »in Gewalt versinkt, dann könnte auch für die Mittelschicht und die Eliten dort die Grenze des Erträglichen erreicht sein«. Auf dem Titelblatt der WamS-Druckausgabe heißt es: »Ein Mord, der Putin gefährlich wird«.

Eine Revolution also, nicht ohne externe Förderung, als hoffnungsvolles Kalkül? So hat, folgt man dieser Deutung des Mordes und seiner Folgen, auch eine Gewalttat ihre positiven Effekte.

Aucun commentaire: