vendredi 15 février 2008
Kritiker des Modells der „Assimilation“: Euro-Islamist Erdogan
Ein islamistischer türkischer Premier bediente sich in Köln der Rhetorik des Multikulturalismus.
Als der Ministerpräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, am vergangenen Wochenende in der Köln-Arena von 20.000 Türken oder Deutschen türkischer Herkunft „wie ein Popstar empfangen“ wurde (WELT Online, 10.2.), trat er keinesfalls als dumpfer Haßprediger, vergleichbar etwa einem radikalislamistischen türkischen Extremisten wie dem „Kalifen von Köln“, hervor. Vielmehr „bestach“ seine Rede durch den insbesondere auch bei „postnational“ sich wähnenden Deutschen so beliebten Diskurs eines „Rechtes auf Verschiedenheit“, des „Rechtes auf Anerkennung“ tradierter kultureller Bindungen: „Die Tatsache, daß Sie seit 47 Jahren Ihre Sprache, Ihren Glauben, Ihre Werte, Ihre Kultur bewahrt haben, vor allem aber, daß Sie sich gegenseitig stets unterstützt haben, diese Tatsache liegt jenseits aller Anerkennung. Ich verstehe die Sensibilität, die Sie gegenüber Assimilation zeigen, sehr gut. Niemand kann von Ihnen erwarten, Assimilation zu tolerieren.“ („Keine Toleranz der Intoleranz“ der deutschen Mehrheitsgesellschaft, nicht wahr?!) „Niemand kann erwarten, daß Sie sich einer Assimilation unterwerfen.“ (Unterwerfen soll sich die türkisch-muslimische Frau eher einem islamistischen Verschleierungsgebot, denn einem „assimilationistischen“ Verschleierungsverbot.) „Denn: Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Sie sollten sich dessen bewußt sein.“ Jenseits multikulturalistischer „Anerkennungs“-Rhetorik dürften – auch von juristischen Laien – „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eher mit der vorsätzlichen Tötung von Zivilisten durch eine kriegführende Macht, mit Genozid, ethnischer Vertreibung, willkürlichem Freiheitsentzug, Folter, Vergewaltigung, sexueller Sklaverei assoziiert werden, als mit der Verweigerung einer Finanzierung oder Subventionierung türkischer Schulen in Deutschland aus deutschen öffentlichen Geldern.
Den 1,5 Mio. ermordeten Armeniern, die 1915/16 der ethnoreligiösen Völkermord-Politik der jungtürkischen Staatsführung des Osmanischen Reiches zum Opfer fielen, hätte niemand einschärfen müssen, sie sollten sich „bewußt sein“, einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein. In der Logik Erdogans jedoch wurden jene überlebenden Armenier, die in Frankreich Zuflucht vor ihren türkischen Häschern fanden, seitens der französischen Republik einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ausgesetzt, weil sie sich – wie damals auch alle anderen Einwanderer – weitgehend an die bestehenden kulturellen Normen der französischen Gesellschaft angleichen (assimilieren) mußten, wollten sie nicht in soziokultureller Marginalität verharren.
Anstatt die – keineswegs spezifisch islamistische – Infamie in Erdogans Anti-Assimilations-Polemik grundsätzlich anzuprangern, beschränkt sich der NRW-Integrationsminister Armin Laschet auf die – zutreffende – Feststellung, in Deutschland verlange niemand den türkischen (oder anderen) Einwanderern Assimilation (im Sinne eines Integrationsmodells, wie es französische Republikaner oder US-Liberale favorisieren) ab. „Wenn Herr Erdogan Assimilation ein ‚Verbrechen gegen die Menschlichkeit’ nennt, sollte er sich im eigenen Land umschauen. Das, was die türkische Politik Kurden, Christen und Aleviten abverlangt, ist Assimilation, aber nicht, was in Deutschland geschieht.“ Sollte sich Deutschland (oder ein anderer europäischer Staat) in ferner Zukunft dazu entschließen, – auf das „republikanische Integrationsmodell“ Frankreichs rekurrierend – die Assimilation muslimischer Einwanderer voranzutreiben, so würde Laschet dies womöglich als eine Übernahme des „türkischen Modells“ geißeln.
Der Christdemokrat dürfte mit Erdogan darin übereinstimmen, daß (fundamentalistischen) Muslimen in der kemalistischen Türkei über Jahrzehnte hinweg schweres Unrecht widerfuhr, da sie an den Universitäten das Kopftuch ablegen, sich also an ihre laizistischen Kommilitoninnen „assimilieren“ mußten. Diesem „Unrecht“ wurde jüngst auf gesetzgeberischem Wege ein Ende gesetzt – wodurch die Türkei nicht nur islamischer, sondern auch ein Stück weit EU-kompatibler wurde.
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